Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.
Nachdem die Nacht vorbei war, schien sie ruhiger. Man konnte mit ihr sprechen und ihr Rath ertheilen, auch sie glauben machen, daß sie krank sey. Sie äußerte "es wäre ihr unmöglich, länger in diesem Hause zu bleiben," und folgte also dem
Nachdem die Nacht vorbei war, schien sie ruhiger. Man konnte mit ihr sprechen und ihr Rath ertheilen, auch sie glauben machen, daß sie krank sey. Sie aͤußerte »es waͤre ihr unmoͤglich, laͤnger in diesem Hause zu bleiben,« und folgte also dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0033" n="33"/><lb/> Bude stand. Da es doch aber eines Fensterladens wegen noͤthig war, daß jemand hinausgieng, entschloß sie sich am Ende lieber selbst dazu, als daß sie einen andern der Gefahr aussetzen wollte, wapnete sich mit einigen Kreutzzeichen, sprengte geweihtes Wasser, seegnete den Fußboden, und gieng nun entschlossen hinaus. Als sie wieder hereinkam, begann sie von Neuem zu aͤchzen und zu wimmern. — So trieb sie es die ganze Nacht hindurch, und kam da es tagte, zu fragen, ob die Huͤner getoͤdtet werden sollten. Man antwortete nicht, und sie war still. — Als es Morgen war, hatte man ein sonderbares Schauspiel. Ueberall, wo man hinsah, fand man Kreutze. Alle Werkzeuge in der Kuͤche, alle Besen, alle Stoͤcke im ganzen Hause waren kreutzweise gestellt, der ganze Weg, wo sie die Nacht gegangen war, von der Hausthuͤr an, bis hinten in die Kuͤche, war mit Kreidekreutzen besaͤet, der Schornstein, der ganze Feuerheerd, die Waͤnde, alle Stuffen der Treppen, alles, ja sie selbst sogar, von Kopf bis Fuß, an Kleidungsstuͤcken und Gesicht und Armen war mit Kreutzen dicht beschrieben. — Wahrhaftig ein auffallender Anblick!</p> <p>Nachdem die Nacht vorbei war, schien sie ruhiger. Man konnte mit ihr sprechen und ihr Rath ertheilen, auch sie glauben machen, daß sie krank sey. Sie aͤußerte »es waͤre ihr unmoͤglich, laͤnger in diesem Hause zu bleiben,« und folgte also dem<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [33/0033]
Bude stand. Da es doch aber eines Fensterladens wegen noͤthig war, daß jemand hinausgieng, entschloß sie sich am Ende lieber selbst dazu, als daß sie einen andern der Gefahr aussetzen wollte, wapnete sich mit einigen Kreutzzeichen, sprengte geweihtes Wasser, seegnete den Fußboden, und gieng nun entschlossen hinaus. Als sie wieder hereinkam, begann sie von Neuem zu aͤchzen und zu wimmern. — So trieb sie es die ganze Nacht hindurch, und kam da es tagte, zu fragen, ob die Huͤner getoͤdtet werden sollten. Man antwortete nicht, und sie war still. — Als es Morgen war, hatte man ein sonderbares Schauspiel. Ueberall, wo man hinsah, fand man Kreutze. Alle Werkzeuge in der Kuͤche, alle Besen, alle Stoͤcke im ganzen Hause waren kreutzweise gestellt, der ganze Weg, wo sie die Nacht gegangen war, von der Hausthuͤr an, bis hinten in die Kuͤche, war mit Kreidekreutzen besaͤet, der Schornstein, der ganze Feuerheerd, die Waͤnde, alle Stuffen der Treppen, alles, ja sie selbst sogar, von Kopf bis Fuß, an Kleidungsstuͤcken und Gesicht und Armen war mit Kreutzen dicht beschrieben. — Wahrhaftig ein auffallender Anblick!
Nachdem die Nacht vorbei war, schien sie ruhiger. Man konnte mit ihr sprechen und ihr Rath ertheilen, auch sie glauben machen, daß sie krank sey. Sie aͤußerte »es waͤre ihr unmoͤglich, laͤnger in diesem Hause zu bleiben,« und folgte also dem
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