Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.
Alles dieses, so wie ich es erzählt habe, steht mir noch so neu vor den Augen, als ob es heute erst geschehen wäre. Mein Gedächtniß ist mir treu, und ich kann mich also darauf verlassen. Noch hundert andre kleine Umstände hätt' ich anführen können, wenn ich ihrem geringern Werthe Gedult des Lesers und Zeit hätte nachsetzen wollen. -- Wenn ich den ganzen Zusammenhang dieser Geschichte betrachte, ist mir nichts wahrscheinlicher, als daß diese Unglückliche sich unter dem prophezeiten Unglücke kein andres vorgestellt habe, als "das Haus würde von Teufeln besessen werden;" denn man bedenke, daß diese der vornehmste Gegenstand ihrer Gedanken waren, daß daher bei einem prophezeiten Unglücke, und zwar großen Unglücke -- der schrecklichste Gedanke, den ein Mensch haben kann -- diese Jdee sicher die erste gewesen seyn muß, die sich ihr darbot, und am festesten sich bei ihr muß eingewurzelt haben; man bedenke den Umstand, da sie den Krämerburschen für den Teufel ansah -- denn für den hat sie ihn sicher gehalten; wie hätte sie sonst blos gesagt: dort steht er, ohne ihm einen Nahmen zu geben? wie hätte sie von Hals-
Alles dieses, so wie ich es erzaͤhlt habe, steht mir noch so neu vor den Augen, als ob es heute erst geschehen waͤre. Mein Gedaͤchtniß ist mir treu, und ich kann mich also darauf verlassen. Noch hundert andre kleine Umstaͤnde haͤtt' ich anfuͤhren koͤnnen, wenn ich ihrem geringern Werthe Gedult des Lesers und Zeit haͤtte nachsetzen wollen. — Wenn ich den ganzen Zusammenhang dieser Geschichte betrachte, ist mir nichts wahrscheinlicher, als daß diese Ungluͤckliche sich unter dem prophezeiten Ungluͤcke kein andres vorgestellt habe, als »das Haus wuͤrde von Teufeln besessen werden;« denn man bedenke, daß diese der vornehmste Gegenstand ihrer Gedanken waren, daß daher bei einem prophezeiten Ungluͤcke, und zwar großen Ungluͤcke — der schrecklichste Gedanke, den ein Mensch haben kann — diese Jdee sicher die erste gewesen seyn muß, die sich ihr darbot, und am festesten sich bei ihr muß eingewurzelt haben; man bedenke den Umstand, da sie den Kraͤmerburschen fuͤr den Teufel ansah — denn fuͤr den hat sie ihn sicher gehalten; wie haͤtte sie sonst blos gesagt: dort steht er, ohne ihm einen Nahmen zu geben? wie haͤtte sie von Hals- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0035" n="35"/><lb/> sagt sie, waͤren's nicht, die ihr dieses Ungluͤck zugezogen haͤtten, sondern das Haus; und das ist alles so weit sie sich erklaͤrt.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Alles dieses, so wie ich es erzaͤhlt habe, steht mir noch so neu vor den Augen, als ob es heute erst geschehen waͤre. Mein Gedaͤchtniß ist mir treu, und ich kann mich also darauf verlassen. Noch hundert andre kleine Umstaͤnde haͤtt' ich anfuͤhren koͤnnen, wenn ich ihrem geringern Werthe Gedult des Lesers und Zeit haͤtte nachsetzen wollen. —</p> <p>Wenn ich den ganzen Zusammenhang dieser Geschichte betrachte, ist mir nichts wahrscheinlicher, als daß diese Ungluͤckliche sich unter dem prophezeiten Ungluͤcke kein andres vorgestellt habe, als »das Haus wuͤrde von Teufeln besessen werden;« denn man bedenke, daß diese der vornehmste Gegenstand ihrer Gedanken waren, daß daher bei einem prophezeiten Ungluͤcke, und zwar großen Ungluͤcke — der schrecklichste Gedanke, den ein Mensch haben kann — diese Jdee sicher die erste gewesen seyn muß, die sich ihr darbot, und am festesten sich bei ihr muß eingewurzelt haben; man bedenke den Umstand, da sie den Kraͤmerburschen fuͤr den Teufel ansah — denn fuͤr den hat sie ihn sicher gehalten; wie haͤtte sie sonst blos gesagt: dort steht <hi rendition="#b">er,</hi> ohne ihm einen Nahmen zu geben? wie haͤtte sie von Hals-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [35/0035]
sagt sie, waͤren's nicht, die ihr dieses Ungluͤck zugezogen haͤtten, sondern das Haus; und das ist alles so weit sie sich erklaͤrt.
Alles dieses, so wie ich es erzaͤhlt habe, steht mir noch so neu vor den Augen, als ob es heute erst geschehen waͤre. Mein Gedaͤchtniß ist mir treu, und ich kann mich also darauf verlassen. Noch hundert andre kleine Umstaͤnde haͤtt' ich anfuͤhren koͤnnen, wenn ich ihrem geringern Werthe Gedult des Lesers und Zeit haͤtte nachsetzen wollen. —
Wenn ich den ganzen Zusammenhang dieser Geschichte betrachte, ist mir nichts wahrscheinlicher, als daß diese Ungluͤckliche sich unter dem prophezeiten Ungluͤcke kein andres vorgestellt habe, als »das Haus wuͤrde von Teufeln besessen werden;« denn man bedenke, daß diese der vornehmste Gegenstand ihrer Gedanken waren, daß daher bei einem prophezeiten Ungluͤcke, und zwar großen Ungluͤcke — der schrecklichste Gedanke, den ein Mensch haben kann — diese Jdee sicher die erste gewesen seyn muß, die sich ihr darbot, und am festesten sich bei ihr muß eingewurzelt haben; man bedenke den Umstand, da sie den Kraͤmerburschen fuͤr den Teufel ansah — denn fuͤr den hat sie ihn sicher gehalten; wie haͤtte sie sonst blos gesagt: dort steht er, ohne ihm einen Nahmen zu geben? wie haͤtte sie von Hals-
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