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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

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unternommnen Handlungen nicht sich selbst, sondern Gott zuschrieben.

Jhr Gottesdienst bestand also in einer Art spekulativer Andacht, wozu sie keine besondere Zeit oder Formel für nothwendig hielten, sondern einem jeden überließen, ihn nach dem Grade seiner Erkenntniß zu bestimmen; doch wählten sie dazu hauptsächlich die zum öffentlichen Gottesdienste bestimmten Stunden. Jn ihrem öffentlichen Gottesdienste beflissen sie sich hauptsächlich der vorerwähnten Entkörperung, d.h. sie vertieften sich so sehr in die Vorstellung der göttlichen Vollkommenheit, daß sie dadurch die Vorstellung aller andern Dinge, und sogar ihres eignen Körpers verlohren, so daß der Körper ihrem Vorgeben nach zu dieser Zeit ganz gefühllos seyn mußte.

Da es aber mit einer solchen Abstraktion sehr schwer hielt, so bemühten sie sich durch allerhand mechanische Operationen (Bewegungen und Schreien) sich in diesen Zustand, wenn sie durch andre Vorstellungen aus demselben herausgekommen waren, wieder zu versetzen, und sich darin, während der ganzen Andachtszeit, ununterbrochen zu erhalten. Es war lustig anzusehn, wie sie oft ihr Beten durch allerhand seltsame Töne und possierliche Bewegungen (die als Drohungen und Scheltworte gegen ihren Gegner, den Satan, der ihre Andacht zu stören sich bemühe, anzusehn waren) unterbrachen, und wie sie sich dadurch so abar-


unternommnen Handlungen nicht sich selbst, sondern Gott zuschrieben.

Jhr Gottesdienst bestand also in einer Art spekulativer Andacht, wozu sie keine besondere Zeit oder Formel fuͤr nothwendig hielten, sondern einem jeden uͤberließen, ihn nach dem Grade seiner Erkenntniß zu bestimmen; doch waͤhlten sie dazu hauptsaͤchlich die zum oͤffentlichen Gottesdienste bestimmten Stunden. Jn ihrem oͤffentlichen Gottesdienste beflissen sie sich hauptsaͤchlich der vorerwaͤhnten Entkoͤrperung, d.h. sie vertieften sich so sehr in die Vorstellung der goͤttlichen Vollkommenheit, daß sie dadurch die Vorstellung aller andern Dinge, und sogar ihres eignen Koͤrpers verlohren, so daß der Koͤrper ihrem Vorgeben nach zu dieser Zeit ganz gefuͤhllos seyn mußte.

Da es aber mit einer solchen Abstraktion sehr schwer hielt, so bemuͤhten sie sich durch allerhand mechanische Operationen (Bewegungen und Schreien) sich in diesen Zustand, wenn sie durch andre Vorstellungen aus demselben herausgekommen waren, wieder zu versetzen, und sich darin, waͤhrend der ganzen Andachtszeit, ununterbrochen zu erhalten. Es war lustig anzusehn, wie sie oft ihr Beten durch allerhand seltsame Toͤne und possierliche Bewegungen (die als Drohungen und Scheltworte gegen ihren Gegner, den Satan, der ihre Andacht zu stoͤren sich bemuͤhe, anzusehn waren) unterbrachen, und wie sie sich dadurch so abar-

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[71/0071] unternommnen Handlungen nicht sich selbst, sondern Gott zuschrieben. Jhr Gottesdienst bestand also in einer Art spekulativer Andacht, wozu sie keine besondere Zeit oder Formel fuͤr nothwendig hielten, sondern einem jeden uͤberließen, ihn nach dem Grade seiner Erkenntniß zu bestimmen; doch waͤhlten sie dazu hauptsaͤchlich die zum oͤffentlichen Gottesdienste bestimmten Stunden. Jn ihrem oͤffentlichen Gottesdienste beflissen sie sich hauptsaͤchlich der vorerwaͤhnten Entkoͤrperung, d.h. sie vertieften sich so sehr in die Vorstellung der goͤttlichen Vollkommenheit, daß sie dadurch die Vorstellung aller andern Dinge, und sogar ihres eignen Koͤrpers verlohren, so daß der Koͤrper ihrem Vorgeben nach zu dieser Zeit ganz gefuͤhllos seyn mußte. Da es aber mit einer solchen Abstraktion sehr schwer hielt, so bemuͤhten sie sich durch allerhand mechanische Operationen (Bewegungen und Schreien) sich in diesen Zustand, wenn sie durch andre Vorstellungen aus demselben herausgekommen waren, wieder zu versetzen, und sich darin, waͤhrend der ganzen Andachtszeit, ununterbrochen zu erhalten. Es war lustig anzusehn, wie sie oft ihr Beten durch allerhand seltsame Toͤne und possierliche Bewegungen (die als Drohungen und Scheltworte gegen ihren Gegner, den Satan, der ihre Andacht zu stoͤren sich bemuͤhe, anzusehn waren) unterbrachen, und wie sie sich dadurch so abar-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/71>, abgerufen am 09.11.2024.