Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0044" n="44"/><lb/> Augenblicke der Liebe gefallene, vor dem schiefen Blicke ihrer keuschen Schwestern, erroͤthende Maͤdchen einander begegnen: dahin setze dich, wenn dich Unwillen und Verachtung des Lebens ergreift, bitterer Spott, daß du dich verkannt und Thoren gekannt siehst; — setze dich dahin nur einen Augenblick, und gewiß, du wirst ruhig in deine einsame Kammer zuruͤckkehren, und stolz danken, daß du nicht reicher Kaufmann, nicht reicher Thor, nicht reicher Schwelger bist, sondern daß du das bist, was du bist und nicht scheinst, daß du bist, was andere nicht sind, die nur scheinen. Kunst, Zwang, selbst koͤnnen nicht den Charakter verdraͤngen, der sich aͤußerlich dem innren nachbildet, in den Vergnuͤgungen, den Spielen jugendlicher Unschuld, dem Tanz, der jetzt Drahtzieherei und maschinenmaͤßige Bewegung ist. Keinen einzigen findest du unter hundert, die alle bei einem Tanzmeister gelernt haben, der nicht einen eignen Charakter in seine Bewegungen, ein eignes Temperament in seine Tanzart einmischte. Gehe auf Hofbaͤlle, willst du stolze, fette in sich eingewickelte Hofnarren und Hofleute sehen, und eben so widerliches Auftalpen und Fortschleppen des Tanzes: — in Schenken bei laͤndlichen Kirmsfesten, willst du dich an dem reinen rohen unverzaͤrtelten Ausdruck der Freude vergnuͤgen: — und in die Wohnungen weiblicher jugendlich bluͤhender Unschuld, wenn du dich an ihren Taͤnzen deiner warmen Empfindung, deiner Liebe freuen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [44/0044]
Augenblicke der Liebe gefallene, vor dem schiefen Blicke ihrer keuschen Schwestern, erroͤthende Maͤdchen einander begegnen: dahin setze dich, wenn dich Unwillen und Verachtung des Lebens ergreift, bitterer Spott, daß du dich verkannt und Thoren gekannt siehst; — setze dich dahin nur einen Augenblick, und gewiß, du wirst ruhig in deine einsame Kammer zuruͤckkehren, und stolz danken, daß du nicht reicher Kaufmann, nicht reicher Thor, nicht reicher Schwelger bist, sondern daß du das bist, was du bist und nicht scheinst, daß du bist, was andere nicht sind, die nur scheinen. Kunst, Zwang, selbst koͤnnen nicht den Charakter verdraͤngen, der sich aͤußerlich dem innren nachbildet, in den Vergnuͤgungen, den Spielen jugendlicher Unschuld, dem Tanz, der jetzt Drahtzieherei und maschinenmaͤßige Bewegung ist. Keinen einzigen findest du unter hundert, die alle bei einem Tanzmeister gelernt haben, der nicht einen eignen Charakter in seine Bewegungen, ein eignes Temperament in seine Tanzart einmischte. Gehe auf Hofbaͤlle, willst du stolze, fette in sich eingewickelte Hofnarren und Hofleute sehen, und eben so widerliches Auftalpen und Fortschleppen des Tanzes: — in Schenken bei laͤndlichen Kirmsfesten, willst du dich an dem reinen rohen unverzaͤrtelten Ausdruck der Freude vergnuͤgen: — und in die Wohnungen weiblicher jugendlich bluͤhender Unschuld, wenn du dich an ihren Taͤnzen deiner warmen Empfindung, deiner Liebe freuen
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(2015-06-09T11:00:00Z)
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