Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.
Zugestehen wird man mir dies, denn Erfahrung redet zu deutlich dafür, und das Alter der Beobachtung, welches an dem Glauben des Menschen so viel Theil zu haben scheint: ohne mir die hergeleiteten Schlüsse und Folgerungen gelten zu lassen, daß also auch die Handschrift den Charakter ihres Schreibers an sich tragen, und eine Charakterzeichnung aus derselben, wie aus der Bewegung der Hände und Füsse, möglich seyn müsse. Jst denn jenes nicht eben sowohl, als dieses, Bewegung des Nerven und des Muskels? und sollte sich nur hier allein die verschiedene Modifikation desselben abdrucken und abbilden? --
Thue ich etwas mehr, wenn ich die Charakterzeichnung aus der Handschrift behaupte, als daß
Zugestehen wird man mir dies, denn Erfahrung redet zu deutlich dafuͤr, und das Alter der Beobachtung, welches an dem Glauben des Menschen so viel Theil zu haben scheint: ohne mir die hergeleiteten Schluͤsse und Folgerungen gelten zu lassen, daß also auch die Handschrift den Charakter ihres Schreibers an sich tragen, und eine Charakterzeichnung aus derselben, wie aus der Bewegung der Haͤnde und Fuͤsse, moͤglich seyn muͤsse. Jst denn jenes nicht eben sowohl, als dieses, Bewegung des Nerven und des Muskels? und sollte sich nur hier allein die verschiedene Modifikation desselben abdrucken und abbilden? —
Thue ich etwas mehr, wenn ich die Charakterzeichnung aus der Handschrift behaupte, als daß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0045" n="45"/><lb/> willst. Wie der Charakter der Seele, so der Ausdruck des Koͤrpers die Mimik. </p> <p>Zugestehen wird man mir dies, denn Erfahrung redet zu deutlich dafuͤr, und das Alter der Beobachtung, welches an dem Glauben des Menschen so viel Theil zu haben scheint: ohne mir die hergeleiteten Schluͤsse und Folgerungen gelten zu lassen, daß also auch die Handschrift den Charakter ihres Schreibers an sich tragen, und eine Charakterzeichnung aus derselben, wie aus der Bewegung der Haͤnde und Fuͤsse, moͤglich seyn muͤsse. Jst denn jenes nicht eben sowohl, als dieses, Bewegung des Nerven und des Muskels? und sollte sich nur hier allein die verschiedene Modifikation desselben abdrucken und abbilden? — </p> <p><hi rendition="#b"><persName ref="#ref0027"><note type="editorial">Lavater, Johann Caspar</note>Lavater</persName></hi> sagt: »ich bemerke eine große Aenhlichkeit zwischen Handschrift, Sprache und Gang des Menschen.« Jst denn auch wohl etwas physisch richtiger, als dieses, da alle diese Erscheinungen Wuͤrkungen des naͤmlichen Nerven und der naͤmlichen Nerven Modifikation sind? Das Nervengewebe des Gaumens, der Zunge, — der Hand, des Fusses haben eine Tinktur, nothwendig muͤssen also die sinnlichen Ausdruͤcke mittelst derselben nur eine Tinktur und nur eine Charakteristik haben. </p> <p>Thue ich etwas mehr, wenn ich die Charakterzeichnung aus der Handschrift behaupte, als daß<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [45/0045]
willst. Wie der Charakter der Seele, so der Ausdruck des Koͤrpers die Mimik.
Zugestehen wird man mir dies, denn Erfahrung redet zu deutlich dafuͤr, und das Alter der Beobachtung, welches an dem Glauben des Menschen so viel Theil zu haben scheint: ohne mir die hergeleiteten Schluͤsse und Folgerungen gelten zu lassen, daß also auch die Handschrift den Charakter ihres Schreibers an sich tragen, und eine Charakterzeichnung aus derselben, wie aus der Bewegung der Haͤnde und Fuͤsse, moͤglich seyn muͤsse. Jst denn jenes nicht eben sowohl, als dieses, Bewegung des Nerven und des Muskels? und sollte sich nur hier allein die verschiedene Modifikation desselben abdrucken und abbilden? —
Lavater sagt: »ich bemerke eine große Aenhlichkeit zwischen Handschrift, Sprache und Gang des Menschen.« Jst denn auch wohl etwas physisch richtiger, als dieses, da alle diese Erscheinungen Wuͤrkungen des naͤmlichen Nerven und der naͤmlichen Nerven Modifikation sind? Das Nervengewebe des Gaumens, der Zunge, — der Hand, des Fusses haben eine Tinktur, nothwendig muͤssen also die sinnlichen Ausdruͤcke mittelst derselben nur eine Tinktur und nur eine Charakteristik haben.
Thue ich etwas mehr, wenn ich die Charakterzeichnung aus der Handschrift behaupte, als daß
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/45>, abgerufen am 16.07.2024. |