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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.

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oder ausdauernd und kühn ist -- ob den Gefahren entgegengehend, oder furchtsam in sich zurückziehend? --

So einfach der Buchstabe ist, so viel unendliche Richtungen sind in ihm möglich, und eben so viel verschiedene Charakterbestimmungen enthält er. Seine Höhe, Dicke, Schärfe, Verbindung, seine ganze Gestalt ist für die kleinsten Schilderungen des menschlichen Herzens entscheidend.

Wie sich das individuelle Alter des Menschen in der Handschrift abmahlt und diese sich mit jenem verändert: so mahlt sich auch das Alter des Menschengeschlechts in derselben ab. -- Der physische Zustand des Menschen, welche Perioden ist dieser nicht durchgegangen, und die Handschrift, als Ausdruck des Nerven, sollte immer noch die des ältern Deutschen seyn, immer noch das harte, unbiegsame desselben an sich tragen. -- Nehmet die Handschriften unserer Vorfahren vor einigen Jahrhunderten, und vergleichet sie mit denen der jetzigen Zeit! Jene sprechen ganz von Alterthum, von fleißigem unermüdeten Sammlungsgeiste und weitläuftig voluminöser Gelehrsamkeit -- diese hingegen von Empfindung, von philosophischem Geiste und mehrern Weltumgang.

Nicht weniger giebt es Nationalhandschriften, als Nationalcharakter und Nationalphysiognomien.


oder ausdauernd und kuͤhn ist — ob den Gefahren entgegengehend, oder furchtsam in sich zuruͤckziehend? —

So einfach der Buchstabe ist, so viel unendliche Richtungen sind in ihm moͤglich, und eben so viel verschiedene Charakterbestimmungen enthaͤlt er. Seine Hoͤhe, Dicke, Schaͤrfe, Verbindung, seine ganze Gestalt ist fuͤr die kleinsten Schilderungen des menschlichen Herzens entscheidend.

Wie sich das individuelle Alter des Menschen in der Handschrift abmahlt und diese sich mit jenem veraͤndert: so mahlt sich auch das Alter des Menschengeschlechts in derselben ab. — Der physische Zustand des Menschen, welche Perioden ist dieser nicht durchgegangen, und die Handschrift, als Ausdruck des Nerven, sollte immer noch die des aͤltern Deutschen seyn, immer noch das harte, unbiegsame desselben an sich tragen. — Nehmet die Handschriften unserer Vorfahren vor einigen Jahrhunderten, und vergleichet sie mit denen der jetzigen Zeit! Jene sprechen ganz von Alterthum, von fleißigem unermuͤdeten Sammlungsgeiste und weitlaͤuftig voluminoͤser Gelehrsamkeit — diese hingegen von Empfindung, von philosophischem Geiste und mehrern Weltumgang.

Nicht weniger giebt es Nationalhandschriften, als Nationalcharakter und Nationalphysiognomien.

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[56/0056] oder ausdauernd und kuͤhn ist — ob den Gefahren entgegengehend, oder furchtsam in sich zuruͤckziehend? — So einfach der Buchstabe ist, so viel unendliche Richtungen sind in ihm moͤglich, und eben so viel verschiedene Charakterbestimmungen enthaͤlt er. Seine Hoͤhe, Dicke, Schaͤrfe, Verbindung, seine ganze Gestalt ist fuͤr die kleinsten Schilderungen des menschlichen Herzens entscheidend. Wie sich das individuelle Alter des Menschen in der Handschrift abmahlt und diese sich mit jenem veraͤndert: so mahlt sich auch das Alter des Menschengeschlechts in derselben ab. — Der physische Zustand des Menschen, welche Perioden ist dieser nicht durchgegangen, und die Handschrift, als Ausdruck des Nerven, sollte immer noch die des aͤltern Deutschen seyn, immer noch das harte, unbiegsame desselben an sich tragen. — Nehmet die Handschriften unserer Vorfahren vor einigen Jahrhunderten, und vergleichet sie mit denen der jetzigen Zeit! Jene sprechen ganz von Alterthum, von fleißigem unermuͤdeten Sammlungsgeiste und weitlaͤuftig voluminoͤser Gelehrsamkeit — diese hingegen von Empfindung, von philosophischem Geiste und mehrern Weltumgang. Nicht weniger giebt es Nationalhandschriften, als Nationalcharakter und Nationalphysiognomien.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/56>, abgerufen am 21.11.2024.