Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.
E. war in den Jahren, wo der Gedanke, stets dienen, und von der Gunst eines Herrn abhängen zu müssen, anfängt lästig zu werden. Er wünschte einst selbst Herr werden und sein Häuschen anbauen zu können. Dazu gewährte ihm aber seine Stelle als Buchhalter eben nicht die frohesten Aussichten. Auch hatte er mittelerweile die Bekanntschaft mit der Tochter aus einem der ansehnlichsten Handlungshäuser daselbst gemacht, gegen die er nicht gleichgültig geblieben zu seyn schien. Die gefällige Aufnahme, die er bei den Eltern fand, das feine Betragen der Tochter gegen ihn, aber noch mehr sein Stolz, gab ihm den Gedanken ein, das Mädchen zu heurathen. Der jetzigen Verschiedenheit ihrer Glücksumstände ungeachtet, zweifelte er nicht, die Einwilligung der Eltern und des Mädchens zu erhalten, sobald er nur im Stande seyn würde, Frau und Kinder anständig zu ernähren. Scherzhafte Aeußerungen von Seiten der Eltern, zweideutige Ausdrücke von Seiten der Tochter, galten ihm für Einwilligung, für Liebeserklärung ; und nun war er auf nichts bedacht, als auf Verbesserung seiner Lage. Bei den Fähigkeiten, die E. sich zutrauete, schien ihm das Studium der Medezin das Fach zu seyn, mit welchem er sich bald bekannt machen, in
E. war in den Jahren, wo der Gedanke, stets dienen, und von der Gunst eines Herrn abhaͤngen zu muͤssen, anfaͤngt laͤstig zu werden. Er wuͤnschte einst selbst Herr werden und sein Haͤuschen anbauen zu koͤnnen. Dazu gewaͤhrte ihm aber seine Stelle als Buchhalter eben nicht die frohesten Aussichten. Auch hatte er mittelerweile die Bekanntschaft mit der Tochter aus einem der ansehnlichsten Handlungshaͤuser daselbst gemacht, gegen die er nicht gleichguͤltig geblieben zu seyn schien. Die gefaͤllige Aufnahme, die er bei den Eltern fand, das feine Betragen der Tochter gegen ihn, aber noch mehr sein Stolz, gab ihm den Gedanken ein, das Maͤdchen zu heurathen. Der jetzigen Verschiedenheit ihrer Gluͤcksumstaͤnde ungeachtet, zweifelte er nicht, die Einwilligung der Eltern und des Maͤdchens zu erhalten, sobald er nur im Stande seyn wuͤrde, Frau und Kinder anstaͤndig zu ernaͤhren. Scherzhafte Aeußerungen von Seiten der Eltern, zweideutige Ausdruͤcke von Seiten der Tochter, galten ihm fuͤr Einwilligung, fuͤr Liebeserklaͤrung ; und nun war er auf nichts bedacht, als auf Verbesserung seiner Lage. Bei den Faͤhigkeiten, die E. sich zutrauete, schien ihm das Studium der Medezin das Fach zu seyn, mit welchem er sich bald bekannt machen, in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0069" n="69"/><lb/> eintraͤgliche Stelle als Buchhalter in einem beruͤhmten Handlungshause in K. zu bekommen. </p> <p>E. war in den Jahren, wo der Gedanke, stets dienen, und von der Gunst eines Herrn abhaͤngen zu muͤssen, anfaͤngt laͤstig zu werden. Er wuͤnschte einst selbst Herr werden und sein Haͤuschen anbauen zu koͤnnen. Dazu gewaͤhrte ihm aber seine Stelle als Buchhalter eben nicht die frohesten Aussichten. Auch hatte er mittelerweile die Bekanntschaft mit der Tochter aus einem der ansehnlichsten Handlungshaͤuser daselbst gemacht, gegen die er nicht gleichguͤltig geblieben zu seyn schien. Die gefaͤllige Aufnahme, die er bei den Eltern fand, das feine Betragen der Tochter gegen ihn, aber noch mehr sein Stolz, gab ihm den Gedanken ein, das Maͤdchen zu heurathen. Der jetzigen Verschiedenheit ihrer Gluͤcksumstaͤnde ungeachtet, zweifelte er nicht, die Einwilligung der Eltern und des Maͤdchens zu erhalten, sobald er nur im Stande seyn wuͤrde, Frau und Kinder anstaͤndig zu ernaͤhren. Scherzhafte Aeußerungen von Seiten der Eltern, zweideutige Ausdruͤcke von Seiten der Tochter, galten ihm fuͤr Einwilligung, fuͤr Liebeserklaͤrung ; und nun war er auf nichts bedacht, als auf Verbesserung seiner Lage. </p> <p>Bei den Faͤhigkeiten, die E. sich zutrauete, schien ihm das Studium der Medezin das Fach zu seyn, mit welchem er sich bald bekannt machen, in<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [69/0069]
eintraͤgliche Stelle als Buchhalter in einem beruͤhmten Handlungshause in K. zu bekommen.
E. war in den Jahren, wo der Gedanke, stets dienen, und von der Gunst eines Herrn abhaͤngen zu muͤssen, anfaͤngt laͤstig zu werden. Er wuͤnschte einst selbst Herr werden und sein Haͤuschen anbauen zu koͤnnen. Dazu gewaͤhrte ihm aber seine Stelle als Buchhalter eben nicht die frohesten Aussichten. Auch hatte er mittelerweile die Bekanntschaft mit der Tochter aus einem der ansehnlichsten Handlungshaͤuser daselbst gemacht, gegen die er nicht gleichguͤltig geblieben zu seyn schien. Die gefaͤllige Aufnahme, die er bei den Eltern fand, das feine Betragen der Tochter gegen ihn, aber noch mehr sein Stolz, gab ihm den Gedanken ein, das Maͤdchen zu heurathen. Der jetzigen Verschiedenheit ihrer Gluͤcksumstaͤnde ungeachtet, zweifelte er nicht, die Einwilligung der Eltern und des Maͤdchens zu erhalten, sobald er nur im Stande seyn wuͤrde, Frau und Kinder anstaͤndig zu ernaͤhren. Scherzhafte Aeußerungen von Seiten der Eltern, zweideutige Ausdruͤcke von Seiten der Tochter, galten ihm fuͤr Einwilligung, fuͤr Liebeserklaͤrung ; und nun war er auf nichts bedacht, als auf Verbesserung seiner Lage.
Bei den Faͤhigkeiten, die E. sich zutrauete, schien ihm das Studium der Medezin das Fach zu seyn, mit welchem er sich bald bekannt machen, in
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