ebenfalls nach einem antiken geschnittenen Steine, im Umriß abgebildet.
Venus.
Man verehrte in dieser reitzenden Götterge- stalt, den heiligen Trieb der alle Wesen fort- pflanzt. -- Die Fülle der Lebenskraft, die in die nachkommenden Geschlechter sich ergießt. -- Den Reitz der Schönheit, der zur Vermählung an- lockt; -- sie war es, welche den Blick der Götter selbst auf Jugend und Schönheit in sterblichen Hüllen lenkte, und triumphirend ihrer Macht sich freute, bis auch sie erlag, dem blühenden Anchi- ses sich in die Arme werfend; von welchem sie Aeneas, den göttergleichen Held gebahr. --
So wie nun aber jener sanfte wohlthätige Trieb, auch oft verderblich wird, und über ganze Nationen Krieg und Unheil bringt, so stellt die sanfteste unter den Göttinnen, sich in den Dich- tungen der Alten, auch als ein furchtbares We- sen dar.
Sie hatte den Paris, der ihr vor allen Göt- tinnen den Preis der Schönheit zuerkannte, das schönste Weib versprochen; nun stiftete sie selbst ihn an, dem griechischen Menelaus seine Gattin, die Helena, zu entführen, und flößte dieser selbst zuerst den Wankelmuth und die Treulosigkeit in den Busen ein.
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ebenfalls nach einem antiken geſchnittenen Steine, im Umriß abgebildet.
Venus.
Man verehrte in dieſer reitzenden Goͤtterge- ſtalt, den heiligen Trieb der alle Weſen fort- pflanzt. — Die Fuͤlle der Lebenskraft, die in die nachkommenden Geſchlechter ſich ergießt. — Den Reitz der Schoͤnheit, der zur Vermaͤhlung an- lockt; — ſie war es, welche den Blick der Goͤtter ſelbſt auf Jugend und Schoͤnheit in ſterblichen Huͤllen lenkte, und triumphirend ihrer Macht ſich freute, bis auch ſie erlag, dem bluͤhenden Anchi- ſes ſich in die Arme werfend; von welchem ſie Aeneas, den goͤttergleichen Held gebahr. —
So wie nun aber jener ſanfte wohlthaͤtige Trieb, auch oft verderblich wird, und uͤber ganze Nationen Krieg und Unheil bringt, ſo ſtellt die ſanfteſte unter den Goͤttinnen, ſich in den Dich- tungen der Alten, auch als ein furchtbares We- ſen dar.
Sie hatte den Paris, der ihr vor allen Goͤt- tinnen den Preis der Schoͤnheit zuerkannte, das ſchoͤnſte Weib verſprochen; nun ſtiftete ſie ſelbſt ihn an, dem griechiſchen Menelaus ſeine Gattin, die Helena, zu entfuͤhren, und floͤßte dieſer ſelbſt zuerſt den Wankelmuth und die Treuloſigkeit in den Buſen ein.
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ebenfalls nach einem antiken geſchnittenen Steine,
im Umriß abgebildet.
Venus.
Man verehrte in dieſer reitzenden Goͤtterge-
ſtalt, den heiligen Trieb der alle Weſen fort-
pflanzt. — Die Fuͤlle der Lebenskraft, die in die
nachkommenden Geſchlechter ſich ergießt. — Den
Reitz der Schoͤnheit, der zur Vermaͤhlung an-
lockt; — ſie war es, welche den Blick der Goͤtter
ſelbſt auf Jugend und Schoͤnheit in ſterblichen
Huͤllen lenkte, und triumphirend ihrer Macht ſich
freute, bis auch ſie erlag, dem bluͤhenden Anchi-
ſes ſich in die Arme werfend; von welchem ſie
Aeneas, den goͤttergleichen Held gebahr. —
So wie nun aber jener ſanfte wohlthaͤtige
Trieb, auch oft verderblich wird, und uͤber ganze
Nationen Krieg und Unheil bringt, ſo ſtellt die
ſanfteſte unter den Goͤttinnen, ſich in den Dich-
tungen der Alten, auch als ein furchtbares We-
ſen dar.
Sie hatte den Paris, der ihr vor allen Goͤt-
tinnen den Preis der Schoͤnheit zuerkannte, das
ſchoͤnſte Weib verſprochen; nun ſtiftete ſie ſelbſt
ihn an, dem griechiſchen Menelaus ſeine Gattin,
die Helena, zu entfuͤhren, und floͤßte dieſer ſelbſt
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/169>, abgerufen am 25.11.2024.
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