manchen Zweigen der fürstlichen Geschlechter Grie- chenlands sich ausbreitete.
Wegen einer Mordthat mußte Bellerophon aus Korinth entfliehen, und nahm zum Prötus seine Zuflucht, der damals über Argos herrschte, und sein Verbrechen aussöhnte.
Des Prötus Vermählte war Antea, eine Tochter des Königs Jobates in Lycien. Eine zärt- liche Leidenschaft, die sie gegen den Jüngling faßte, und welche dieser standhaft von sich wieß, ver- wandelte sich in Haß. -- Sie forderte selbst den Prötus zur Rache gegen den Bellerophon auf, den sie mit schwarzem Trug beschuldigte, daß er sie zur Untreue habe verleiten wollen.
Dem Prötus waren die Rechte der Gast- freundschaft zu heilig, als daß er selbst den Bellero- phon hätte tödten sollen; er schickte ihn nach Lycien zum Jobates, dem Vater der Antea, mit ei- nem Briefe, welcher den Auftrag enthielt, an dem Uebringer das ihm angeschuldigte Vergehen durch dessen Tod zu rächen.
Allein Jobates las erst diesen Brief, nachdem er den Bellerophon schon gastfreundlich bewirthet hatte, und scheute sich ebenfalls in ihm das hei- lige Gastrecht zu verletzen; -- er stellte daher den Tod des Fremden dem Zufall heim, indem er ihn zu den gefahrvollsten Unternehmungen sandte, wobei sein Untergang unvermeidlich schien.
manchen Zweigen der fuͤrſtlichen Geſchlechter Grie- chenlands ſich ausbreitete.
Wegen einer Mordthat mußte Bellerophon aus Korinth entfliehen, und nahm zum Proͤtus ſeine Zuflucht, der damals uͤber Argos herrſchte, und ſein Verbrechen ausſoͤhnte.
Des Proͤtus Vermaͤhlte war Antea, eine Tochter des Koͤnigs Jobates in Lycien. Eine zaͤrt- liche Leidenſchaft, die ſie gegen den Juͤngling faßte, und welche dieſer ſtandhaft von ſich wieß, ver- wandelte ſich in Haß. — Sie forderte ſelbſt den Proͤtus zur Rache gegen den Bellerophon auf, den ſie mit ſchwarzem Trug beſchuldigte, daß er ſie zur Untreue habe verleiten wollen.
Dem Proͤtus waren die Rechte der Gaſt- freundſchaft zu heilig, als daß er ſelbſt den Bellero- phon haͤtte toͤdten ſollen; er ſchickte ihn nach Lycien zum Jobates, dem Vater der Antea, mit ei- nem Briefe, welcher den Auftrag enthielt, an dem Uebringer das ihm angeſchuldigte Vergehen durch deſſen Tod zu raͤchen.
Allein Jobates las erſt dieſen Brief, nachdem er den Bellerophon ſchon gaſtfreundlich bewirthet hatte, und ſcheute ſich ebenfalls in ihm das hei- lige Gaſtrecht zu verletzen; — er ſtellte daher den Tod des Fremden dem Zufall heim, indem er ihn zu den gefahrvollſten Unternehmungen ſandte, wobei ſein Untergang unvermeidlich ſchien.
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manchen Zweigen der fuͤrſtlichen Geſchlechter Grie-
chenlands ſich ausbreitete.
Wegen einer Mordthat mußte Bellerophon
aus Korinth entfliehen, und nahm zum Proͤtus
ſeine Zuflucht, der damals uͤber Argos herrſchte,
und ſein Verbrechen ausſoͤhnte.
Des Proͤtus Vermaͤhlte war Antea, eine
Tochter des Koͤnigs Jobates in Lycien. Eine zaͤrt-
liche Leidenſchaft, die ſie gegen den Juͤngling faßte,
und welche dieſer ſtandhaft von ſich wieß, ver-
wandelte ſich in Haß. — Sie forderte ſelbſt den
Proͤtus zur Rache gegen den Bellerophon auf, den
ſie mit ſchwarzem Trug beſchuldigte, daß er ſie
zur Untreue habe verleiten wollen.
Dem Proͤtus waren die Rechte der Gaſt-
freundſchaft zu heilig, als daß er ſelbſt den Bellero-
phon haͤtte toͤdten ſollen; er ſchickte ihn nach Lycien
zum Jobates, dem Vater der Antea, mit ei-
nem Briefe, welcher den Auftrag enthielt, an
dem Uebringer das ihm angeſchuldigte Vergehen
durch deſſen Tod zu raͤchen.
Allein Jobates las erſt dieſen Brief, nachdem
er den Bellerophon ſchon gaſtfreundlich bewirthet
hatte, und ſcheute ſich ebenfalls in ihm das hei-
lige Gaſtrecht zu verletzen; — er ſtellte daher
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/263>, abgerufen am 24.11.2024.
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