Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Ferne zurückblicken, gleichsam den dämmern-
den Horizont aus. Soll uns hier eine neue
Morgenröthe aufgehen, so ist es nöthig, die
mythologischen Dichtungen, als alte Völker-
sagen, so viel wie möglich von einander zu schei-
den, um den Faden ihrer allmähligen Verwe-
bungen und Uebertragungen wieder aufzufinden.
In dieser Rücksicht die ältesten Völkersagen,
welche auf uns gekommen sind, nebeneinander
zu stellen, ist das Geschäft einer allgemeinen
Mythologie, wozu die gegenwärtige, welche auf
die Götterlehre der Griechen und Römer be-
schränkt ist, nur von fern die Hand bieten kann.

In das Gebiet der Phantasie, welches
wir nun betreten wollen, soll uns ein Dich-
ter führen, der ihr Lob am wahrsten gesun-
gen hat.

Meine Göttin.

Welcher Unsterblichen
Soll der höchste Preis seyn?
Mit niemand streit' ich,
Aber ich geb' ihn
Der ewig beweglichen,

Ferne zuruͤckblicken, gleichſam den daͤmmern-
den Horizont aus. Soll uns hier eine neue
Morgenroͤthe aufgehen, ſo iſt es noͤthig, die
mythologiſchen Dichtungen, als alte Voͤlker-
ſagen, ſo viel wie moͤglich von einander zu ſchei-
den, um den Faden ihrer allmaͤhligen Verwe-
bungen und Uebertragungen wieder aufzufinden.
In dieſer Ruͤckſicht die aͤlteſten Voͤlkerſagen,
welche auf uns gekommen ſind, nebeneinander
zu ſtellen, iſt das Geſchaͤft einer allgemeinen
Mythologie, wozu die gegenwaͤrtige, welche auf
die Goͤtterlehre der Griechen und Roͤmer be-
ſchraͤnkt iſt, nur von fern die Hand bieten kann.

In das Gebiet der Phantaſie, welches
wir nun betreten wollen, ſoll uns ein Dich-
ter fuͤhren, der ihr Lob am wahrſten geſun-
gen hat.

Meine Goͤttin.

Welcher Unſterblichen
Soll der hoͤchſte Preis ſeyn?
Mit niemand ſtreit’ ich,
Aber ich geb’ ihn
Der ewig beweglichen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0029" n="9"/>
Ferne zuru&#x0364;ckblicken, gleich&#x017F;am den da&#x0364;mmern-<lb/>
den Horizont aus. Soll uns hier eine neue<lb/>
Morgenro&#x0364;the aufgehen, &#x017F;o i&#x017F;t es no&#x0364;thig, die<lb/>
mythologi&#x017F;chen Dichtungen, als alte Vo&#x0364;lker-<lb/>
&#x017F;agen, &#x017F;o viel wie mo&#x0364;glich von einander zu &#x017F;chei-<lb/>
den, um den Faden ihrer allma&#x0364;hligen Verwe-<lb/>
bungen und Uebertragungen wieder aufzufinden.<lb/>
In die&#x017F;er Ru&#x0364;ck&#x017F;icht die a&#x0364;lte&#x017F;ten Vo&#x0364;lker&#x017F;agen,<lb/>
welche auf uns gekommen &#x017F;ind, nebeneinander<lb/>
zu &#x017F;tellen, i&#x017F;t das Ge&#x017F;cha&#x0364;ft einer allgemeinen<lb/>
Mythologie, wozu die gegenwa&#x0364;rtige, welche auf<lb/>
die Go&#x0364;tterlehre der Griechen und Ro&#x0364;mer be-<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nkt i&#x017F;t, nur von fern die Hand bieten kann.</p><lb/>
        <p>In das Gebiet der Phanta&#x017F;ie, welches<lb/>
wir nun betreten wollen, &#x017F;oll uns ein Dich-<lb/>
ter fu&#x0364;hren, der ihr Lob am wahr&#x017F;ten ge&#x017F;un-<lb/>
gen hat.</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Meine Go&#x0364;ttin</hi>.</hi> </head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">W</hi>elcher Un&#x017F;terblichen</l><lb/>
            <l>Soll der ho&#x0364;ch&#x017F;te Preis &#x017F;eyn?</l><lb/>
            <l>Mit niemand &#x017F;treit&#x2019; ich,</l><lb/>
            <l>Aber ich geb&#x2019; ihn</l><lb/>
            <l>Der ewig beweglichen,</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0029] Ferne zuruͤckblicken, gleichſam den daͤmmern- den Horizont aus. Soll uns hier eine neue Morgenroͤthe aufgehen, ſo iſt es noͤthig, die mythologiſchen Dichtungen, als alte Voͤlker- ſagen, ſo viel wie moͤglich von einander zu ſchei- den, um den Faden ihrer allmaͤhligen Verwe- bungen und Uebertragungen wieder aufzufinden. In dieſer Ruͤckſicht die aͤlteſten Voͤlkerſagen, welche auf uns gekommen ſind, nebeneinander zu ſtellen, iſt das Geſchaͤft einer allgemeinen Mythologie, wozu die gegenwaͤrtige, welche auf die Goͤtterlehre der Griechen und Roͤmer be- ſchraͤnkt iſt, nur von fern die Hand bieten kann. In das Gebiet der Phantaſie, welches wir nun betreten wollen, ſoll uns ein Dich- ter fuͤhren, der ihr Lob am wahrſten geſun- gen hat. Meine Goͤttin. Welcher Unſterblichen Soll der hoͤchſte Preis ſeyn? Mit niemand ſtreit’ ich, Aber ich geb’ ihn Der ewig beweglichen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/29
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/29>, abgerufen am 29.04.2024.