Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

kommenden Schiffe entgegen sahe, und das
schwarze Segel erblickte, welches der Steuer-
mann mit dem weißen zu vertauschen aus der Acht
gelassen, stürzte er sich voll Verzweiflung, weil er
nun alles für verlohren hielt, vom Felsen in das
Meer herab, welches nachher nach seinem Nah-
men das Aegeische hieß.

Den Theseus empfingen die Athenienser mit
lautem Jubel, als ihren Schutzgott, dem sie
allein ihre Rettung dankten. -- Als Theseus
nun in der Regierung dem Aegeus folgte, nutzte
er die Liebe des Volks dazu, um einer weisen Ge-
setzgebung Eingang zu verschaffen.

Er schuf zuerst den Staat, indem er das zer-
streute Volk, so viel wie möglich, in eine einzige
Stadt zu versammlen suchte, und es in Klassen
theilte. Auch setzte er, im Einverständniß mit
den benachbarten Völkern, dem Attischen Gebiete
seine festen Grenzen. -- Und weil es ihm gelungen
war, nach seiner Einsicht das Volk zu lenken, so
führte er zuerst den Dienst der Pitho, der Göt-
tin der Ueberredung, ein.

Großmüthig begab er darauf sich selbst des
größten Theils seiner Gewalt, weil er schon da-
mals, nach einem Orakelspruch, Athen zu einem
Freistaat zu bilden suchte. -- Zu Ehren des
Neptun, den das Gerücht für seinen Vater aus-
gab, erneuerte er auch die Isthmischen Spiele,

kommenden Schiffe entgegen ſahe, und das
ſchwarze Segel erblickte, welches der Steuer-
mann mit dem weißen zu vertauſchen aus der Acht
gelaſſen, ſtuͤrzte er ſich voll Verzweiflung, weil er
nun alles fuͤr verlohren hielt, vom Felſen in das
Meer herab, welches nachher nach ſeinem Nah-
men das Aegeiſche hieß.

Den Theſeus empfingen die Athenienſer mit
lautem Jubel, als ihren Schutzgott, dem ſie
allein ihre Rettung dankten. — Als Theſeus
nun in der Regierung dem Aegeus folgte, nutzte
er die Liebe des Volks dazu, um einer weiſen Ge-
ſetzgebung Eingang zu verſchaffen.

Er ſchuf zuerſt den Staat, indem er das zer-
ſtreute Volk, ſo viel wie moͤglich, in eine einzige
Stadt zu verſammlen ſuchte, und es in Klaſſen
theilte. Auch ſetzte er, im Einverſtaͤndniß mit
den benachbarten Voͤlkern, dem Attiſchen Gebiete
ſeine feſten Grenzen. — Und weil es ihm gelungen
war, nach ſeiner Einſicht das Volk zu lenken, ſo
fuͤhrte er zuerſt den Dienſt der Pitho, der Goͤt-
tin der Ueberredung, ein.

Großmuͤthig begab er darauf ſich ſelbſt des
groͤßten Theils ſeiner Gewalt, weil er ſchon da-
mals, nach einem Orakelſpruch, Athen zu einem
Freiſtaat zu bilden ſuchte. — Zu Ehren des
Neptun, den das Geruͤcht fuͤr ſeinen Vater aus-
gab, erneuerte er auch die Iſthmiſchen Spiele,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0353" n="295"/>
kommenden Schiffe entgegen &#x017F;ahe, und das<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;chwarze Segel</hi> erblickte, welches der Steuer-<lb/>
mann mit dem weißen zu vertau&#x017F;chen aus der Acht<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;tu&#x0364;rzte er &#x017F;ich voll Verzweiflung, weil er<lb/>
nun alles fu&#x0364;r verlohren hielt, vom Fel&#x017F;en in das<lb/>
Meer herab, welches nachher nach &#x017F;einem Nah-<lb/>
men das <hi rendition="#fr">Aegei&#x017F;che</hi> hieß.</p><lb/>
          <p>Den The&#x017F;eus empfingen die Athenien&#x017F;er mit<lb/>
lautem Jubel, als ihren Schutzgott, dem &#x017F;ie<lb/>
allein ihre Rettung dankten. &#x2014; Als The&#x017F;eus<lb/>
nun in der Regierung dem Aegeus folgte, nutzte<lb/>
er die Liebe des Volks dazu, um einer wei&#x017F;en Ge-<lb/>
&#x017F;etzgebung Eingang zu ver&#x017F;chaffen.</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;chuf zuer&#x017F;t den Staat, indem er das zer-<lb/>
&#x017F;treute Volk, &#x017F;o viel wie mo&#x0364;glich, in eine einzige<lb/>
Stadt zu ver&#x017F;ammlen &#x017F;uchte, und es in Kla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
theilte. Auch &#x017F;etzte er, im Einver&#x017F;ta&#x0364;ndniß mit<lb/>
den benachbarten Vo&#x0364;lkern, dem Atti&#x017F;chen Gebiete<lb/>
&#x017F;eine fe&#x017F;ten Grenzen. &#x2014; Und weil es ihm gelungen<lb/>
war, nach &#x017F;einer Ein&#x017F;icht das Volk zu <hi rendition="#fr">lenken,</hi> &#x017F;o<lb/>
fu&#x0364;hrte er zuer&#x017F;t den Dien&#x017F;t der <hi rendition="#fr">Pitho,</hi> der Go&#x0364;t-<lb/>
tin der <hi rendition="#fr">Ueberredung,</hi> ein.</p><lb/>
          <p>Großmu&#x0364;thig begab er darauf &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t des<lb/>
gro&#x0364;ßten Theils &#x017F;einer Gewalt, weil er &#x017F;chon da-<lb/>
mals, nach einem Orakel&#x017F;pruch, Athen zu einem<lb/><hi rendition="#fr">Frei&#x017F;taat</hi> zu bilden &#x017F;uchte. &#x2014; Zu Ehren des<lb/>
Neptun, den das Geru&#x0364;cht fu&#x0364;r &#x017F;einen Vater aus-<lb/>
gab, erneuerte er auch die <hi rendition="#fr">I&#x017F;thmi&#x017F;chen</hi> Spiele,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0353] kommenden Schiffe entgegen ſahe, und das ſchwarze Segel erblickte, welches der Steuer- mann mit dem weißen zu vertauſchen aus der Acht gelaſſen, ſtuͤrzte er ſich voll Verzweiflung, weil er nun alles fuͤr verlohren hielt, vom Felſen in das Meer herab, welches nachher nach ſeinem Nah- men das Aegeiſche hieß. Den Theſeus empfingen die Athenienſer mit lautem Jubel, als ihren Schutzgott, dem ſie allein ihre Rettung dankten. — Als Theſeus nun in der Regierung dem Aegeus folgte, nutzte er die Liebe des Volks dazu, um einer weiſen Ge- ſetzgebung Eingang zu verſchaffen. Er ſchuf zuerſt den Staat, indem er das zer- ſtreute Volk, ſo viel wie moͤglich, in eine einzige Stadt zu verſammlen ſuchte, und es in Klaſſen theilte. Auch ſetzte er, im Einverſtaͤndniß mit den benachbarten Voͤlkern, dem Attiſchen Gebiete ſeine feſten Grenzen. — Und weil es ihm gelungen war, nach ſeiner Einſicht das Volk zu lenken, ſo fuͤhrte er zuerſt den Dienſt der Pitho, der Goͤt- tin der Ueberredung, ein. Großmuͤthig begab er darauf ſich ſelbſt des groͤßten Theils ſeiner Gewalt, weil er ſchon da- mals, nach einem Orakelſpruch, Athen zu einem Freiſtaat zu bilden ſuchte. — Zu Ehren des Neptun, den das Geruͤcht fuͤr ſeinen Vater aus- gab, erneuerte er auch die Iſthmiſchen Spiele,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/353
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/353>, abgerufen am 01.11.2024.