Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn dich jemand frägt, wer diesen Sohn geboh-
ren, so sollst du sagen: eine der Nymphen, die
diese Berge bewohnen; -- rühmst du dich aber
thöricht, daß du in Cytherens Arm geruht, so
wird dich Jupiters Blitz zerschmettern! Dieß präge
tief dir ein, und fürchte den Zorn der Götter!

Adonis.

Die Liebe der Venus zu dem schönen Jüng-
ling Adonis ging bald in die Klage um seinen
Tod
hinüber. -- Adonis war ein Sohn der
Myrrha, der Tochter des Cinyras, mit dem sie
im nächtlichen Dunkel, ihm selber unbewußt, eine
Zeitlang blutschändrischer Liebe pflog, bis einst zu-
fällig die gräßliche Scene erleuchtet wurde, und
der Vater unter tausend Verwünschungen und
Flüchen, mit dem tödtenden Eisen seine Tochter
verfolgte, die bis nach Arabien flohe, wo sie ihr
Vergehen bereuend, so lange Thränen weinte,
bis sie zuletzt in eine Myrrhe verwandelt, das
Bewußtseyn von ihrer That verlohr.

Noch während ihrer Verwandlung ward Ado-
nis von ihr gebohren, den die Nymphen des Wal-
des erzogen, und welchen Venus, da er ein Jüng-
ling war, vor allen zu ihrem Lieblinge wählte,
und weil sie keinen Augenblick ihn verlassen wollte,
sogar einen Theil ihrer Sanftheit ablegte, und
auf der Jagd der Hirsche und Rehe ihn begleitete.

wenn dich jemand fraͤgt, wer dieſen Sohn geboh-
ren, ſo ſollſt du ſagen: eine der Nymphen, die
dieſe Berge bewohnen; — ruͤhmſt du dich aber
thoͤricht, daß du in Cytherens Arm geruht, ſo
wird dich Jupiters Blitz zerſchmettern! Dieß praͤge
tief dir ein, und fuͤrchte den Zorn der Goͤtter!

Adonis.

Die Liebe der Venus zu dem ſchoͤnen Juͤng-
ling Adonis ging bald in die Klage um ſeinen
Tod
hinuͤber. — Adonis war ein Sohn der
Myrrha, der Tochter des Cinyras, mit dem ſie
im naͤchtlichen Dunkel, ihm ſelber unbewußt, eine
Zeitlang blutſchaͤndriſcher Liebe pflog, bis einſt zu-
faͤllig die graͤßliche Scene erleuchtet wurde, und
der Vater unter tauſend Verwuͤnſchungen und
Fluͤchen, mit dem toͤdtenden Eiſen ſeine Tochter
verfolgte, die bis nach Arabien flohe, wo ſie ihr
Vergehen bereuend, ſo lange Thraͤnen weinte,
bis ſie zuletzt in eine Myrrhe verwandelt, das
Bewußtſeyn von ihrer That verlohr.

Noch waͤhrend ihrer Verwandlung ward Ado-
nis von ihr gebohren, den die Nymphen des Wal-
des erzogen, und welchen Venus, da er ein Juͤng-
ling war, vor allen zu ihrem Lieblinge waͤhlte,
und weil ſie keinen Augenblick ihn verlaſſen wollte,
ſogar einen Theil ihrer Sanftheit ablegte, und
auf der Jagd der Hirſche und Rehe ihn begleitete.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0404" n="336"/>
wenn dich jemand fra&#x0364;gt, wer die&#x017F;en Sohn geboh-<lb/>
ren, &#x017F;o &#x017F;oll&#x017F;t du &#x017F;agen: eine der Nymphen, die<lb/>
die&#x017F;e Berge bewohnen; &#x2014; ru&#x0364;hm&#x017F;t du dich aber<lb/>
tho&#x0364;richt, daß du in Cytherens Arm geruht, &#x017F;o<lb/>
wird dich Jupiters Blitz zer&#x017F;chmettern! Dieß pra&#x0364;ge<lb/>
tief dir ein, und fu&#x0364;rchte den Zorn der Go&#x0364;tter!</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Adonis</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p>Die Liebe der Venus zu dem &#x017F;cho&#x0364;nen Ju&#x0364;ng-<lb/>
ling Adonis ging bald <hi rendition="#fr">in die Klage um &#x017F;einen<lb/>
Tod</hi> hinu&#x0364;ber. &#x2014; Adonis war ein Sohn der<lb/><hi rendition="#fr">Myrrha,</hi> der Tochter des <hi rendition="#fr">Cinyras,</hi> mit dem &#x017F;ie<lb/>
im na&#x0364;chtlichen Dunkel, ihm &#x017F;elber unbewußt, eine<lb/>
Zeitlang blut&#x017F;cha&#x0364;ndri&#x017F;cher Liebe pflog, bis ein&#x017F;t zu-<lb/>
fa&#x0364;llig die gra&#x0364;ßliche Scene erleuchtet wurde, und<lb/>
der Vater unter tau&#x017F;end Verwu&#x0364;n&#x017F;chungen und<lb/>
Flu&#x0364;chen, mit dem to&#x0364;dtenden Ei&#x017F;en &#x017F;eine Tochter<lb/>
verfolgte, die bis nach Arabien flohe, wo &#x017F;ie ihr<lb/>
Vergehen bereuend, &#x017F;o lange Thra&#x0364;nen weinte,<lb/>
bis &#x017F;ie zuletzt in eine Myrrhe verwandelt, das<lb/>
Bewußt&#x017F;eyn von ihrer That verlohr.</p><lb/>
          <p>Noch wa&#x0364;hrend ihrer Verwandlung ward Ado-<lb/>
nis von ihr gebohren, den die Nymphen des Wal-<lb/>
des erzogen, und welchen Venus, da er ein Ju&#x0364;ng-<lb/>
ling war, vor allen zu ihrem Lieblinge wa&#x0364;hlte,<lb/>
und weil &#x017F;ie keinen Augenblick ihn verla&#x017F;&#x017F;en wollte,<lb/>
&#x017F;ogar einen Theil ihrer Sanftheit ablegte, und<lb/>
auf der Jagd der Hir&#x017F;che und Rehe ihn begleitete.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[336/0404] wenn dich jemand fraͤgt, wer dieſen Sohn geboh- ren, ſo ſollſt du ſagen: eine der Nymphen, die dieſe Berge bewohnen; — ruͤhmſt du dich aber thoͤricht, daß du in Cytherens Arm geruht, ſo wird dich Jupiters Blitz zerſchmettern! Dieß praͤge tief dir ein, und fuͤrchte den Zorn der Goͤtter! Adonis. Die Liebe der Venus zu dem ſchoͤnen Juͤng- ling Adonis ging bald in die Klage um ſeinen Tod hinuͤber. — Adonis war ein Sohn der Myrrha, der Tochter des Cinyras, mit dem ſie im naͤchtlichen Dunkel, ihm ſelber unbewußt, eine Zeitlang blutſchaͤndriſcher Liebe pflog, bis einſt zu- faͤllig die graͤßliche Scene erleuchtet wurde, und der Vater unter tauſend Verwuͤnſchungen und Fluͤchen, mit dem toͤdtenden Eiſen ſeine Tochter verfolgte, die bis nach Arabien flohe, wo ſie ihr Vergehen bereuend, ſo lange Thraͤnen weinte, bis ſie zuletzt in eine Myrrhe verwandelt, das Bewußtſeyn von ihrer That verlohr. Noch waͤhrend ihrer Verwandlung ward Ado- nis von ihr gebohren, den die Nymphen des Wal- des erzogen, und welchen Venus, da er ein Juͤng- ling war, vor allen zu ihrem Lieblinge waͤhlte, und weil ſie keinen Augenblick ihn verlaſſen wollte, ſogar einen Theil ihrer Sanftheit ablegte, und auf der Jagd der Hirſche und Rehe ihn begleitete.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/404
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/404>, abgerufen am 01.11.2024.