und schleifte ihn im Staube um die Mauern von Troja, daß Hekuba heulend ihr Haar zerraufte, und der alte Priamus flehend seine Hände aus- streckte.
Das Leichenbegängniß des Patroklus wurde nun mit öffentlichen Kampfspielen im Lager der Griechen gefeiert, während daß Hektors Leichnam unbegraben lag. Allein in nächtlicher Stille vom Merkur geleitet, kam der Greis Priamus selber in des Achilles Zelt, umfaßte dessen Knie, und flehte ihn um den Leichnam seines Sohnes. Die Götter hatten schon des Achilles Herz er- weicht; er dachte an seinen alten Vater Peleus, der auch nun bald den Tod seines Sohnes betrau- ern würde, und gewährte dem Priamus seiner Bitte, der mit dem Leichnam Hektors schnell nach Troja eilte, und ihm mit allem Volke die Todten- feier hielt.
Auch war das Verhängniß des Achilles nun nicht mehr weit entfernt; nachdem er noch einige ruhmvolle Thaten vollbracht, traf vom Apollo gelenkt, des Paris tödtlicher Pfeil ihm in die Ferse, wo er allein verwundbar war. Um seine Waffen entstand ein trauriger Streit; die Grie- chen sprachen sie dem Ulysses zu; worüber Ajax, welcher nach dem Achill der tapferste unter den Griechen war, aus Mißmuth sich selbst ent- leibte.
und ſchleifte ihn im Staube um die Mauern von Troja, daß Hekuba heulend ihr Haar zerraufte, und der alte Priamus flehend ſeine Haͤnde aus- ſtreckte.
Das Leichenbegaͤngniß des Patroklus wurde nun mit oͤffentlichen Kampfſpielen im Lager der Griechen gefeiert, waͤhrend daß Hektors Leichnam unbegraben lag. Allein in naͤchtlicher Stille vom Merkur geleitet, kam der Greis Priamus ſelber in des Achilles Zelt, umfaßte deſſen Knie, und flehte ihn um den Leichnam ſeines Sohnes. Die Goͤtter hatten ſchon des Achilles Herz er- weicht; er dachte an ſeinen alten Vater Peleus, der auch nun bald den Tod ſeines Sohnes betrau- ern wuͤrde, und gewaͤhrte dem Priamus ſeiner Bitte, der mit dem Leichnam Hektors ſchnell nach Troja eilte, und ihm mit allem Volke die Todten- feier hielt.
Auch war das Verhaͤngniß des Achilles nun nicht mehr weit entfernt; nachdem er noch einige ruhmvolle Thaten vollbracht, traf vom Apollo gelenkt, des Paris toͤdtlicher Pfeil ihm in die Ferſe, wo er allein verwundbar war. Um ſeine Waffen entſtand ein trauriger Streit; die Grie- chen ſprachen ſie dem Ulyſſes zu; woruͤber Ajax, welcher nach dem Achill der tapferſte unter den Griechen war, aus Mißmuth ſich ſelbſt ent- leibte.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0450"n="378"/>
und ſchleifte ihn im Staube um die Mauern von<lb/>
Troja, daß <hirendition="#fr">Hekuba</hi> heulend ihr Haar zerraufte,<lb/>
und der alte Priamus flehend ſeine Haͤnde aus-<lb/>ſtreckte.</p><lb/><p>Das Leichenbegaͤngniß des Patroklus wurde<lb/>
nun mit oͤffentlichen Kampfſpielen im Lager der<lb/>
Griechen gefeiert, waͤhrend daß Hektors Leichnam<lb/>
unbegraben lag. Allein in naͤchtlicher Stille vom<lb/>
Merkur geleitet, kam der Greis Priamus ſelber<lb/>
in des Achilles Zelt, umfaßte deſſen Knie, und<lb/>
flehte ihn um den Leichnam ſeines Sohnes.<lb/>
Die Goͤtter hatten ſchon des Achilles Herz er-<lb/>
weicht; er dachte an ſeinen alten Vater Peleus,<lb/>
der auch nun bald den Tod ſeines Sohnes betrau-<lb/>
ern wuͤrde, und gewaͤhrte dem Priamus ſeiner<lb/>
Bitte, der mit dem Leichnam Hektors ſchnell nach<lb/>
Troja eilte, und ihm mit allem Volke die Todten-<lb/>
feier hielt.</p><lb/><p>Auch war das Verhaͤngniß des Achilles nun<lb/>
nicht mehr weit entfernt; nachdem er noch einige<lb/>
ruhmvolle Thaten vollbracht, traf vom Apollo<lb/>
gelenkt, des Paris toͤdtlicher Pfeil ihm in die<lb/><hirendition="#fr">Ferſe,</hi> wo er allein verwundbar war. Um ſeine<lb/>
Waffen entſtand ein trauriger Streit; die Grie-<lb/>
chen ſprachen ſie dem Ulyſſes zu; woruͤber <hirendition="#fr">Ajax,</hi><lb/>
welcher nach dem Achill der tapferſte unter den<lb/>
Griechen war, aus Mißmuth ſich ſelbſt ent-<lb/>
leibte.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[378/0450]
und ſchleifte ihn im Staube um die Mauern von
Troja, daß Hekuba heulend ihr Haar zerraufte,
und der alte Priamus flehend ſeine Haͤnde aus-
ſtreckte.
Das Leichenbegaͤngniß des Patroklus wurde
nun mit oͤffentlichen Kampfſpielen im Lager der
Griechen gefeiert, waͤhrend daß Hektors Leichnam
unbegraben lag. Allein in naͤchtlicher Stille vom
Merkur geleitet, kam der Greis Priamus ſelber
in des Achilles Zelt, umfaßte deſſen Knie, und
flehte ihn um den Leichnam ſeines Sohnes.
Die Goͤtter hatten ſchon des Achilles Herz er-
weicht; er dachte an ſeinen alten Vater Peleus,
der auch nun bald den Tod ſeines Sohnes betrau-
ern wuͤrde, und gewaͤhrte dem Priamus ſeiner
Bitte, der mit dem Leichnam Hektors ſchnell nach
Troja eilte, und ihm mit allem Volke die Todten-
feier hielt.
Auch war das Verhaͤngniß des Achilles nun
nicht mehr weit entfernt; nachdem er noch einige
ruhmvolle Thaten vollbracht, traf vom Apollo
gelenkt, des Paris toͤdtlicher Pfeil ihm in die
Ferſe, wo er allein verwundbar war. Um ſeine
Waffen entſtand ein trauriger Streit; die Grie-
chen ſprachen ſie dem Ulyſſes zu; woruͤber Ajax,
welcher nach dem Achill der tapferſte unter den
Griechen war, aus Mißmuth ſich ſelbſt ent-
leibte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/450>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.