Paris ward bald nachher vom Philoktet mit einem der Pfeile getödtet, die in das Blut der Lernäischen Schlange getaucht, vom Herkules ihm hinterlassen waren. Auch war der Fall von Troja nun beschlossen, das nach so viel Blutver- gießen, dennoch am Ende nicht mit Macht, son- dern mit List erobert werden mußte.
Auf den Rath des Ulysses wurde nehmlich ein ungeheuer großes hölzernes Pferd gebaut, in dessen Bauch die Helden sich versteckten, wäh- rend daß das Heer der Griechen sich auf die Schiffe begab, und die Küste von Troja zum Schein verließ. -- Nur Sinon blieb zurück, und stellte sich als ein Flüchtling, der von den Grie- chen verfolgt, bei den Trojanern um Schutz und Hülfe flehte, und gleichsam wie ein Geheimniß ihnen entdeckte, daß das hölzerne Pferd erbaut sey, um die Minerva zu versöhnen, weil die Griechen das Palladium, eine Bildsäule dieser Göttin, welche das Unterpfand des Reichs war, aus Troja entwendet hatten. -- Hierzu kam noch, daß der Priester Laokoon, der vor dem Pferde warnte, und mit dem Spieß in dessen Seite fuhr, von zwei großen Schlangen, die übers Meer ka- men, mit seinen Söhnen umwunden, und ge- tödtet ward.
Nach dieser schrecklichen Begebenheit blieb an Sinons Aussage kein Zweifel übrig; man eilte
Paris ward bald nachher vom Philoktet mit einem der Pfeile getoͤdtet, die in das Blut der Lernaͤiſchen Schlange getaucht, vom Herkules ihm hinterlaſſen waren. Auch war der Fall von Troja nun beſchloſſen, das nach ſo viel Blutver- gießen, dennoch am Ende nicht mit Macht, ſon- dern mit Liſt erobert werden mußte.
Auf den Rath des Ulyſſes wurde nehmlich ein ungeheuer großes hoͤlzernes Pferd gebaut, in deſſen Bauch die Helden ſich verſteckten, waͤh- rend daß das Heer der Griechen ſich auf die Schiffe begab, und die Kuͤſte von Troja zum Schein verließ. — Nur Sinon blieb zuruͤck, und ſtellte ſich als ein Fluͤchtling, der von den Grie- chen verfolgt, bei den Trojanern um Schutz und Huͤlfe flehte, und gleichſam wie ein Geheimniß ihnen entdeckte, daß das hoͤlzerne Pferd erbaut ſey, um die Minerva zu verſoͤhnen, weil die Griechen das Palladium, eine Bildſaͤule dieſer Goͤttin, welche das Unterpfand des Reichs war, aus Troja entwendet hatten. — Hierzu kam noch, daß der Prieſter Laokoon, der vor dem Pferde warnte, und mit dem Spieß in deſſen Seite fuhr, von zwei großen Schlangen, die uͤbers Meer ka- men, mit ſeinen Soͤhnen umwunden, und ge- toͤdtet ward.
Nach dieſer ſchrecklichen Begebenheit blieb an Sinons Ausſage kein Zweifel uͤbrig; man eilte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0451"n="379"/><p><hirendition="#fr">Paris</hi> ward bald nachher vom <hirendition="#fr">Philoktet</hi> mit<lb/>
einem der Pfeile getoͤdtet, die in das Blut der<lb/>
Lernaͤiſchen Schlange getaucht, vom Herkules<lb/>
ihm hinterlaſſen waren. Auch war der Fall von<lb/>
Troja nun beſchloſſen, das nach ſo viel Blutver-<lb/>
gießen, dennoch am Ende nicht mit Macht, ſon-<lb/>
dern mit <hirendition="#fr">Liſt</hi> erobert werden mußte.</p><lb/><p>Auf den Rath des <hirendition="#fr">Ulyſſes</hi> wurde nehmlich<lb/>
ein ungeheuer großes <hirendition="#fr">hoͤlzernes Pferd</hi> gebaut,<lb/>
in deſſen Bauch die Helden ſich verſteckten, waͤh-<lb/>
rend daß das Heer der Griechen ſich auf die<lb/>
Schiffe begab, und die Kuͤſte von Troja zum<lb/>
Schein verließ. — Nur <hirendition="#fr">Sinon</hi> blieb zuruͤck, und<lb/>ſtellte ſich als ein Fluͤchtling, der von den Grie-<lb/>
chen verfolgt, bei den Trojanern um Schutz und<lb/>
Huͤlfe flehte, und gleichſam wie ein Geheimniß<lb/>
ihnen entdeckte, daß das hoͤlzerne Pferd erbaut<lb/>ſey, um die Minerva zu verſoͤhnen, weil die<lb/>
Griechen das <hirendition="#fr">Palladium,</hi> eine Bildſaͤule dieſer<lb/>
Goͤttin, welche das Unterpfand des Reichs war,<lb/>
aus Troja entwendet hatten. — Hierzu kam noch,<lb/>
daß der Prieſter <hirendition="#fr">Laokoon,</hi> der vor dem Pferde<lb/>
warnte, und mit dem Spieß in deſſen Seite fuhr,<lb/>
von zwei großen Schlangen, die uͤbers Meer ka-<lb/>
men, mit ſeinen Soͤhnen umwunden, und ge-<lb/>
toͤdtet ward.</p><lb/><p>Nach dieſer ſchrecklichen Begebenheit blieb an<lb/><hirendition="#fr">Sinons</hi> Ausſage kein Zweifel uͤbrig; man eilte<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[379/0451]
Paris ward bald nachher vom Philoktet mit
einem der Pfeile getoͤdtet, die in das Blut der
Lernaͤiſchen Schlange getaucht, vom Herkules
ihm hinterlaſſen waren. Auch war der Fall von
Troja nun beſchloſſen, das nach ſo viel Blutver-
gießen, dennoch am Ende nicht mit Macht, ſon-
dern mit Liſt erobert werden mußte.
Auf den Rath des Ulyſſes wurde nehmlich
ein ungeheuer großes hoͤlzernes Pferd gebaut,
in deſſen Bauch die Helden ſich verſteckten, waͤh-
rend daß das Heer der Griechen ſich auf die
Schiffe begab, und die Kuͤſte von Troja zum
Schein verließ. — Nur Sinon blieb zuruͤck, und
ſtellte ſich als ein Fluͤchtling, der von den Grie-
chen verfolgt, bei den Trojanern um Schutz und
Huͤlfe flehte, und gleichſam wie ein Geheimniß
ihnen entdeckte, daß das hoͤlzerne Pferd erbaut
ſey, um die Minerva zu verſoͤhnen, weil die
Griechen das Palladium, eine Bildſaͤule dieſer
Goͤttin, welche das Unterpfand des Reichs war,
aus Troja entwendet hatten. — Hierzu kam noch,
daß der Prieſter Laokoon, der vor dem Pferde
warnte, und mit dem Spieß in deſſen Seite fuhr,
von zwei großen Schlangen, die uͤbers Meer ka-
men, mit ſeinen Soͤhnen umwunden, und ge-
toͤdtet ward.
Nach dieſer ſchrecklichen Begebenheit blieb an
Sinons Ausſage kein Zweifel uͤbrig; man eilte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/451>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.