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Moritz, Karl Philipp: Über die bildende Nachahmung des Schönen. Braunschweig, 1788.

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de ausdrücklich dadurch bezeichnet wird; nur darf
sie einem gewissen Grade von innerer Würde nie
geradezu widersprechen; sie darf nie unedel seyn.

Hieraus erklärt sich nun zugleich beiläufig der Be¬
griff vom edlen Stil in Kunstwerken jeder Art, wel¬
cher kein andrer ist, als derjenige, der zugleich mit
eine innre Seelenwürde des hervorbringenden Genies
bezeichnet. Ob nun gleich dieser edle Stil die andern
untergeordneten Arten des Schönen nicht vom Gebiet
des Schönen ausschliesst, so schneidet er doch alles,
was ihm geradezu entgegensteht, davon ab; er schliesst
das Unedle aus.

In so fern nun unter dem Edlen, im Gegensatz
gegen das äussre Schöne, bloss die innre Seelenschön¬
heit verstanden wird, können wir es auch, so wie das
Gute, in uns selbst nachbilden. -- Das Schöne aber,
in so fern es sich dadurch vom Edlen unterscheidet,
dass, im Gegensatz gegen das Innre, bloss das äussre
Schöne darunter verstanden wird, kann durch die Nach¬
ahmung nicht in uns herein, muss, wenn es
von uns nachgeahmt werden soll, nothwendig wieder
aus uns herausgebildet werden.

Der bildende Künstler kann z. B. die innre See¬
lenschönheit eines Mannes, den er sich in seinem Wan¬
del zum Vorbilde nimmt, ihm nachahmend in sich
übertragen. Wenn aber eben dieser Künstler sich ge¬
drungen fühlte, die innre Seelenschönheit seines Vor¬
bildes, in so fern sie sich in dessen Gesichtszügen ab¬
drückt, nachzuahmen: so müsste er seinen Begriff da¬

von

de ausdrücklich dadurch bezeichnet wird; nur darf
ſie einem gewisſen Grade von innerer Würde nie
geradezu widerſprechen; ſie darf nie unedel ſeyn.

Hieraus erklärt ſich nun zugleich beiläufig der Be¬
griff vom edlen Stil in Kunſtwerken jeder Art, wel¬
cher kein andrer iſt, als derjenige, der zugleich mit
eine innre Seelenwürde des hervorbringenden Genies
bezeichnet. Ob nun gleich dieſer edle Stil die andern
untergeordneten Arten des Schönen nicht vom Gebiet
des Schönen ausſchlieſst, ſo ſchneidet er doch alles,
was ihm geradezu entgegenſteht, davon ab; er ſchlieſst
das Unedle aus.

In ſo fern nun unter dem Edlen, im Gegenſatz
gegen das äusſre Schöne, bloſs die innre Seelenſchön¬
heit verſtanden wird, können wir es auch, ſo wie das
Gute, in uns ſelbſt nachbilden. — Das Schöne aber,
in ſo fern es ſich dadurch vom Edlen unterſcheidet,
daſs, im Gegenſatz gegen das Innre, bloſs das äusſre
Schöne darunter verſtanden wird, kann durch die Nach¬
ahmung nicht in uns herein, muſs, wenn es
von uns nachgeahmt werden ſoll, nothwendig wieder
aus uns herausgebildet werden.

Der bildende Künſtler kann z. B. die innre See¬
lenſchönheit eines Mannes, den er ſich in ſeinem Wan¬
del zum Vorbilde nimmt, ihm nachahmend in ſich
übertragen. Wenn aber eben dieſer Künſtler ſich ge¬
drungen fühlte, die innre Seelenſchönheit ſeines Vor¬
bildes, in ſo fern ſie ſich in desſen Geſichtszügen ab¬
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[8/0014] de ausdrücklich dadurch bezeichnet wird; nur darf ſie einem gewisſen Grade von innerer Würde nie geradezu widerſprechen; ſie darf nie unedel ſeyn. Hieraus erklärt ſich nun zugleich beiläufig der Be¬ griff vom edlen Stil in Kunſtwerken jeder Art, wel¬ cher kein andrer iſt, als derjenige, der zugleich mit eine innre Seelenwürde des hervorbringenden Genies bezeichnet. Ob nun gleich dieſer edle Stil die andern untergeordneten Arten des Schönen nicht vom Gebiet des Schönen ausſchlieſst, ſo ſchneidet er doch alles, was ihm geradezu entgegenſteht, davon ab; er ſchlieſst das Unedle aus. In ſo fern nun unter dem Edlen, im Gegenſatz gegen das äusſre Schöne, bloſs die innre Seelenſchön¬ heit verſtanden wird, können wir es auch, ſo wie das Gute, in uns ſelbſt nachbilden. — Das Schöne aber, in ſo fern es ſich dadurch vom Edlen unterſcheidet, daſs, im Gegenſatz gegen das Innre, bloſs das äusſre Schöne darunter verſtanden wird, kann durch die Nach¬ ahmung nicht in uns herein, muſs, wenn es von uns nachgeahmt werden ſoll, nothwendig wieder aus uns herausgebildet werden. Der bildende Künſtler kann z. B. die innre See¬ lenſchönheit eines Mannes, den er ſich in ſeinem Wan¬ del zum Vorbilde nimmt, ihm nachahmend in ſich übertragen. Wenn aber eben dieſer Künſtler ſich ge¬ drungen fühlte, die innre Seelenſchönheit ſeines Vor¬ bildes, in ſo fern ſie ſich in desſen Geſichtszügen ab¬ drückt, nachzuahmen: ſo müsſte er ſeinen Begriff da¬ von

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Über die bildende Nachahmung des Schönen. Braunschweig, 1788, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_nachahmung_1788/14>, abgerufen am 18.04.2024.