Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

süßte, wenn er bedachte, daß ihn doch als Hut¬
macherbursche einmal niemand dieses Trostes
würde berauben können. Alle vierzehn
Tage wenigstens nahm er sich dann vor zum
Abendmahl zu gehen, wenn er erst so weit wäre --
und dann schlich sich ganz geheim in diesen
Wunsch die Hoffnung mit ein, daß durch diß
öftere zum Abendmahlgehen der Pastor P. . .
ihn vielleicht am Ende bemerken würde: und
dieser Gedanke war es wohl vorzüglich, welcher
bei ihm die unaussprechliche Süßigkeit in diese
Vorstellungen brachte. So lag auch hier die Ei¬
telkeit im Hinterhalt verborgen, wo sie mancher
vielleicht am wenigsten vermuthet hätte.

Das war ihm unmöglich zu glauben, daß er
immer so, wie jetzt, würde verkannt, und ver¬
nachläßiget werden. Gewissen romanhaften Ideen
nach, die er sich in den Kopf gesetzt hatte, mußte
es sich etwa einmal fügen, daß ein edler Mann,
der auf der Straße ihm begegnete, etwas auf¬
fallendes an ihm bemerkte, und sich dann seiner
annehme. -- Eine gewisse schwermüthige me¬
lancholische Miene, die er zu dem Ende an¬
nahm, glaubte er, würde am ersten diese Auf¬

merk¬

ſuͤßte, wenn er bedachte, daß ihn doch als Hut¬
macherburſche einmal niemand dieſes Troſtes
wuͤrde berauben koͤnnen. Alle vierzehn
Tage wenigſtens nahm er ſich dann vor zum
Abendmahl zu gehen, wenn er erſt ſo weit waͤre —
und dann ſchlich ſich ganz geheim in dieſen
Wunſch die Hoffnung mit ein, daß durch diß
oͤftere zum Abendmahlgehen der Paſtor P. . .
ihn vielleicht am Ende bemerken wuͤrde: und
dieſer Gedanke war es wohl vorzuͤglich, welcher
bei ihm die unausſprechliche Suͤßigkeit in dieſe
Vorſtellungen brachte. So lag auch hier die Ei¬
telkeit im Hinterhalt verborgen, wo ſie mancher
vielleicht am wenigſten vermuthet haͤtte.

Das war ihm unmoͤglich zu glauben, daß er
immer ſo, wie jetzt, wuͤrde verkannt, und ver¬
nachlaͤßiget werden. Gewiſſen romanhaften Ideen
nach, die er ſich in den Kopf geſetzt hatte, mußte
es ſich etwa einmal fuͤgen, daß ein edler Mann,
der auf der Straße ihm begegnete, etwas auf¬
fallendes an ihm bemerkte, und ſich dann ſeiner
annehme. — Eine gewiſſe ſchwermuͤthige me¬
lancholiſche Miene, die er zu dem Ende an¬
nahm, glaubte er, wuͤrde am erſten dieſe Auf¬

merk¬
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0137" n="127"/>
&#x017F;u&#x0364;ßte, wenn er bedachte, daß ihn doch als Hut¬<lb/>
macherbur&#x017F;che einmal niemand die&#x017F;es Tro&#x017F;tes<lb/>
wu&#x0364;rde berauben ko&#x0364;nnen. Alle vierzehn<lb/>
Tage wenig&#x017F;tens nahm er &#x017F;ich dann vor zum<lb/>
Abendmahl zu gehen, wenn er er&#x017F;t &#x017F;o weit wa&#x0364;re &#x2014;<lb/>
und dann &#x017F;chlich &#x017F;ich ganz geheim in die&#x017F;en<lb/>
Wun&#x017F;ch die Hoffnung mit ein, daß durch diß<lb/>
o&#x0364;ftere zum Abendmahlgehen der Pa&#x017F;tor P. . .<lb/>
ihn vielleicht am Ende bemerken wu&#x0364;rde: und<lb/>
die&#x017F;er Gedanke war es wohl vorzu&#x0364;glich, welcher<lb/>
bei ihm die unaus&#x017F;prechliche Su&#x0364;ßigkeit in die&#x017F;e<lb/>
Vor&#x017F;tellungen brachte. So lag auch hier die Ei¬<lb/>
telkeit im Hinterhalt verborgen, wo &#x017F;ie mancher<lb/>
vielleicht am wenig&#x017F;ten vermuthet ha&#x0364;tte.</p><lb/>
      <p>Das war ihm unmo&#x0364;glich zu glauben, daß er<lb/>
immer &#x017F;o, wie jetzt, wu&#x0364;rde verkannt, und ver¬<lb/>
nachla&#x0364;ßiget werden. Gewi&#x017F;&#x017F;en romanhaften Ideen<lb/>
nach, die er &#x017F;ich in den Kopf ge&#x017F;etzt hatte, mußte<lb/>
es &#x017F;ich etwa einmal fu&#x0364;gen, daß ein edler Mann,<lb/>
der auf der Straße ihm begegnete, etwas auf¬<lb/>
fallendes an ihm bemerkte, und &#x017F;ich dann &#x017F;einer<lb/>
annehme. &#x2014; Eine gewi&#x017F;&#x017F;e &#x017F;chwermu&#x0364;thige me¬<lb/>
lancholi&#x017F;che Miene, die er zu dem Ende an¬<lb/>
nahm, glaubte er, wu&#x0364;rde am er&#x017F;ten die&#x017F;e Auf¬<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">merk¬<lb/></fw>
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0137] ſuͤßte, wenn er bedachte, daß ihn doch als Hut¬ macherburſche einmal niemand dieſes Troſtes wuͤrde berauben koͤnnen. Alle vierzehn Tage wenigſtens nahm er ſich dann vor zum Abendmahl zu gehen, wenn er erſt ſo weit waͤre — und dann ſchlich ſich ganz geheim in dieſen Wunſch die Hoffnung mit ein, daß durch diß oͤftere zum Abendmahlgehen der Paſtor P. . . ihn vielleicht am Ende bemerken wuͤrde: und dieſer Gedanke war es wohl vorzuͤglich, welcher bei ihm die unausſprechliche Suͤßigkeit in dieſe Vorſtellungen brachte. So lag auch hier die Ei¬ telkeit im Hinterhalt verborgen, wo ſie mancher vielleicht am wenigſten vermuthet haͤtte. Das war ihm unmoͤglich zu glauben, daß er immer ſo, wie jetzt, wuͤrde verkannt, und ver¬ nachlaͤßiget werden. Gewiſſen romanhaften Ideen nach, die er ſich in den Kopf geſetzt hatte, mußte es ſich etwa einmal fuͤgen, daß ein edler Mann, der auf der Straße ihm begegnete, etwas auf¬ fallendes an ihm bemerkte, und ſich dann ſeiner annehme. — Eine gewiſſe ſchwermuͤthige me¬ lancholiſche Miene, die er zu dem Ende an¬ nahm, glaubte er, wuͤrde am erſten dieſe Auf¬ merk¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/137
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/137>, abgerufen am 15.05.2024.