Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

müthigen und doch angenehmen Empfindung sich
selbst unter den Gefallenen.

Er betrauerte dann eine Weile seine Helden,
und verließ das fürchterliche Schlachtfeld. Zu
Hause, nicht weit von der Wohnung seiner
Eltern, war ein Kirchhof, auf welchem er eine
ganze Generation von Blumen und Pflanzen
mit eisernem Scepter beherrschte, und keinen
Tag hingehen ließ, wo er nicht mit ihnen eine
Art von Musterung hielt.

Als er von P. wieder nach Hause gereist war,
schnitzte er sich alle Helden aus dem Telemach
von Papier, bemahlte sie nach den Kupfersti¬
chen mit Helm und Panzer, und ließ sie einige
Tage lang in Schlachtordnung stehen, bis er
endlich ihr Schicksal entschied, und mit grausa¬
men Messerhieben unter ihnen wüthete, diesem
den Helm, jenem den Schädel zerspaltete, und
rund um sich her nichts als Tod und Verder¬
ben sahe.

So liefen alle seine Spiele auch mit Kirsch-
und Pflaumkernen auf Verderben und Zerstö¬
rung hinaus. Auch über diese mußte ein blin¬
des Schicksal walten, indem er zwei verschiedne

muͤthigen und doch angenehmen Empfindung ſich
ſelbſt unter den Gefallenen.

Er betrauerte dann eine Weile ſeine Helden,
und verließ das fuͤrchterliche Schlachtfeld. Zu
Hauſe, nicht weit von der Wohnung ſeiner
Eltern, war ein Kirchhof, auf welchem er eine
ganze Generation von Blumen und Pflanzen
mit eiſernem Scepter beherrſchte, und keinen
Tag hingehen ließ, wo er nicht mit ihnen eine
Art von Muſterung hielt.

Als er von P. wieder nach Hauſe gereiſt war,
ſchnitzte er ſich alle Helden aus dem Telemach
von Papier, bemahlte ſie nach den Kupferſti¬
chen mit Helm und Panzer, und ließ ſie einige
Tage lang in Schlachtordnung ſtehen, bis er
endlich ihr Schickſal entſchied, und mit grauſa¬
men Meſſerhieben unter ihnen wuͤthete, dieſem
den Helm, jenem den Schaͤdel zerſpaltete, und
rund um ſich her nichts als Tod und Verder¬
ben ſahe.

So liefen alle ſeine Spiele auch mit Kirſch-
und Pflaumkernen auf Verderben und Zerſtoͤ¬
rung hinaus. Auch uͤber dieſe mußte ein blin¬
des Schickſal walten, indem er zwei verſchiedne

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0046" n="36"/>
mu&#x0364;thigen und doch angenehmen Empfindung &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t unter den Gefallenen.</p><lb/>
      <p>Er betrauerte dann eine Weile &#x017F;eine Helden,<lb/>
und verließ das fu&#x0364;rchterliche Schlachtfeld. Zu<lb/>
Hau&#x017F;e, nicht weit von der Wohnung &#x017F;einer<lb/>
Eltern, war ein Kirchhof, auf welchem er eine<lb/>
ganze Generation von Blumen und Pflanzen<lb/>
mit ei&#x017F;ernem Scepter beherr&#x017F;chte, und keinen<lb/>
Tag hingehen ließ, wo er nicht mit ihnen eine<lb/>
Art von Mu&#x017F;terung hielt.</p><lb/>
      <p>Als er von P. wieder nach Hau&#x017F;e gerei&#x017F;t war,<lb/>
&#x017F;chnitzte er &#x017F;ich alle Helden aus dem Telemach<lb/>
von Papier, bemahlte &#x017F;ie nach den Kupfer&#x017F;ti¬<lb/>
chen mit Helm und Panzer, und ließ &#x017F;ie einige<lb/>
Tage lang in Schlachtordnung &#x017F;tehen, bis er<lb/>
endlich ihr Schick&#x017F;al ent&#x017F;chied, und mit grau&#x017F;<lb/>
men Me&#x017F;&#x017F;erhieben unter ihnen wu&#x0364;thete, die&#x017F;em<lb/>
den Helm, jenem den Scha&#x0364;del zer&#x017F;paltete, und<lb/>
rund um &#x017F;ich her nichts als Tod und Verder¬<lb/>
ben &#x017F;ahe.</p><lb/>
      <p>So liefen alle &#x017F;eine Spiele auch mit Kir&#x017F;ch-<lb/>
und Pflaumkernen auf Verderben und Zer&#x017F;to&#x0364;¬<lb/>
rung hinaus. Auch u&#x0364;ber die&#x017F;e mußte ein blin¬<lb/>
des Schick&#x017F;al walten, indem er zwei ver&#x017F;chiedne<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0046] muͤthigen und doch angenehmen Empfindung ſich ſelbſt unter den Gefallenen. Er betrauerte dann eine Weile ſeine Helden, und verließ das fuͤrchterliche Schlachtfeld. Zu Hauſe, nicht weit von der Wohnung ſeiner Eltern, war ein Kirchhof, auf welchem er eine ganze Generation von Blumen und Pflanzen mit eiſernem Scepter beherrſchte, und keinen Tag hingehen ließ, wo er nicht mit ihnen eine Art von Muſterung hielt. Als er von P. wieder nach Hauſe gereiſt war, ſchnitzte er ſich alle Helden aus dem Telemach von Papier, bemahlte ſie nach den Kupferſti¬ chen mit Helm und Panzer, und ließ ſie einige Tage lang in Schlachtordnung ſtehen, bis er endlich ihr Schickſal entſchied, und mit grauſa¬ men Meſſerhieben unter ihnen wuͤthete, dieſem den Helm, jenem den Schaͤdel zerſpaltete, und rund um ſich her nichts als Tod und Verder¬ ben ſahe. So liefen alle ſeine Spiele auch mit Kirſch- und Pflaumkernen auf Verderben und Zerſtoͤ¬ rung hinaus. Auch uͤber dieſe mußte ein blin¬ des Schickſal walten, indem er zwei verſchiedne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/46
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/46>, abgerufen am 04.12.2024.