Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

baldbevorstehende sehnlichgewünschte Ruhe, der
nun über das Unangenehme und Mühsame der
Arbeit, wieder seinen tröstlichen Schimmer ver¬
breitete.

Freilich wußte man, daß den folgenden Tag
der Kreislauf des Lebens so von vorn wieder
anfieng. Aber auch diese zuletzt ermüdende
Einförmigkeit im Leben, wurde durch die Hoff¬
nung auf den Sonntag wieder auf eine ange¬
nehme Art unterbrochen.

Wenn der Reiz des Frühstücks, und des
Mittags- und Abendessens nicht mehr hinlänglich
war, die Lebens- und Arbeitslust zu erhalten,
dann zählte man, wie lange es noch bis auf den
Sonntag war, wo man einen ganzen Tag von
der Arbeit feiern, und einmal aus der dunklen
Werkstatt vors Thor hinaus in das freie Feld
gehen, und des Anblicks der freien offnen Natur
genießen konnte.

O, welche Reize hat der Sonntag für den
Handwerksmann, die den höheren Klassen von
Menschen unbekannt ist, welche von ihren Ge¬
schäften ausruhen können, wenn sie wollen. --

F 4

baldbevorſtehende ſehnlichgewuͤnſchte Ruhe, der
nun uͤber das Unangenehme und Muͤhſame der
Arbeit, wieder ſeinen troͤſtlichen Schimmer ver¬
breitete.

Freilich wußte man, daß den folgenden Tag
der Kreislauf des Lebens ſo von vorn wieder
anfieng. Aber auch dieſe zuletzt ermuͤdende
Einfoͤrmigkeit im Leben, wurde durch die Hoff¬
nung auf den Sonntag wieder auf eine ange¬
nehme Art unterbrochen.

Wenn der Reiz des Fruͤhſtuͤcks, und des
Mittags- und Abendeſſens nicht mehr hinlaͤnglich
war, die Lebens- und Arbeitsluſt zu erhalten,
dann zaͤhlte man, wie lange es noch bis auf den
Sonntag war, wo man einen ganzen Tag von
der Arbeit feiern, und einmal aus der dunklen
Werkſtatt vors Thor hinaus in das freie Feld
gehen, und des Anblicks der freien offnen Natur
genießen konnte.

O, welche Reize hat der Sonntag fuͤr den
Handwerksmann, die den hoͤheren Klaſſen von
Menſchen unbekannt iſt, welche von ihren Ge¬
ſchaͤften ausruhen koͤnnen, wenn ſie wollen. —

F 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0097" n="87"/>
baldbevor&#x017F;tehende &#x017F;ehnlichgewu&#x0364;n&#x017F;chte Ruhe, der<lb/>
nun u&#x0364;ber das Unangenehme und Mu&#x0364;h&#x017F;ame der<lb/>
Arbeit, wieder &#x017F;einen tro&#x0364;&#x017F;tlichen Schimmer ver¬<lb/>
breitete.</p><lb/>
      <p>Freilich wußte man, daß den folgenden Tag<lb/>
der Kreislauf des Lebens &#x017F;o von vorn wieder<lb/>
anfieng. Aber auch die&#x017F;e zuletzt ermu&#x0364;dende<lb/>
Einfo&#x0364;rmigkeit im Leben, wurde durch die Hoff¬<lb/>
nung auf den Sonntag wieder auf eine ange¬<lb/>
nehme Art unterbrochen.</p><lb/>
      <p>Wenn der Reiz des Fru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;cks, und des<lb/>
Mittags- und Abende&#x017F;&#x017F;ens nicht mehr hinla&#x0364;nglich<lb/>
war, die Lebens- und Arbeitslu&#x017F;t zu erhalten,<lb/>
dann za&#x0364;hlte man, wie lange es noch bis auf den<lb/>
Sonntag war, wo man einen ganzen Tag von<lb/>
der Arbeit feiern, und einmal aus der dunklen<lb/>
Werk&#x017F;tatt vors Thor hinaus in das freie Feld<lb/>
gehen, und des Anblicks der freien offnen Natur<lb/>
genießen konnte.</p><lb/>
      <p>O, welche Reize hat der Sonntag fu&#x0364;r den<lb/>
Handwerksmann, die den ho&#x0364;heren Kla&#x017F;&#x017F;en von<lb/>
Men&#x017F;chen unbekannt i&#x017F;t, welche von ihren Ge¬<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ften ausruhen ko&#x0364;nnen, wenn &#x017F;ie wollen. &#x2014;</p><lb/>
      <fw type="sig" place="bottom">F 4<lb/></fw>
    </body>
  </text>
</TEI>
[87/0097] baldbevorſtehende ſehnlichgewuͤnſchte Ruhe, der nun uͤber das Unangenehme und Muͤhſame der Arbeit, wieder ſeinen troͤſtlichen Schimmer ver¬ breitete. Freilich wußte man, daß den folgenden Tag der Kreislauf des Lebens ſo von vorn wieder anfieng. Aber auch dieſe zuletzt ermuͤdende Einfoͤrmigkeit im Leben, wurde durch die Hoff¬ nung auf den Sonntag wieder auf eine ange¬ nehme Art unterbrochen. Wenn der Reiz des Fruͤhſtuͤcks, und des Mittags- und Abendeſſens nicht mehr hinlaͤnglich war, die Lebens- und Arbeitsluſt zu erhalten, dann zaͤhlte man, wie lange es noch bis auf den Sonntag war, wo man einen ganzen Tag von der Arbeit feiern, und einmal aus der dunklen Werkſtatt vors Thor hinaus in das freie Feld gehen, und des Anblicks der freien offnen Natur genießen konnte. O, welche Reize hat der Sonntag fuͤr den Handwerksmann, die den hoͤheren Klaſſen von Menſchen unbekannt iſt, welche von ihren Ge¬ ſchaͤften ausruhen koͤnnen, wenn ſie wollen. — F 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/97
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/97>, abgerufen am 04.12.2024.