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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

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Umständen an seinem schlecht in die Augen fallen¬
den Betragen schuld war.

Anton Reisers Schicksal schien es nun ein¬
mal zu seyn, Wohlthaten zu seiner Qual zu em¬
pfangen -- Es war Wohlthat, daß er ein
Jahrlang bei der Frau F. . . im Hause war,
und in welcher peinlichen und drückenden Lage
brachte er dieses Jahr zu! -- Es war Wohl¬
that, daß er bei dem Rektor im Hause war, nur
was für unzählige Demüthigungen und Verach¬
tung von seinen Mitschülern zog ihm dieser
ihm so reizend geschilderte Aufenthalt zu! --

Den äußern Anschein nach konnte nun auch
von Reisern niemand als schlecht urtheilen --
und der Rektor sagte selbst zum Pastor M. . .
es würde höchstens einmal ein Dorf¬
schulmeister aus ihm werden
. -- Dieß hielt
der Pastor M. . . nachher Reisern wieder vor,
und sein Muth würde durch dieß Urtheil des
Rektors über ihn, dem er damals noch nicht viel
Selbstgefühl entgegen setzen konnte, noch mehr
niedergeschlagen.

Weil nun der Rektor sicher zu glauben schien,
daß aus Reisern, doch nie etwas würde, so brauch¬

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Umſtaͤnden an ſeinem ſchlecht in die Augen fallen¬
den Betragen ſchuld war.

Anton Reiſers Schickſal ſchien es nun ein¬
mal zu ſeyn, Wohlthaten zu ſeiner Qual zu em¬
pfangen — Es war Wohlthat, daß er ein
Jahrlang bei der Frau F. . . im Hauſe war,
und in welcher peinlichen und druͤckenden Lage
brachte er dieſes Jahr zu! — Es war Wohl¬
that, daß er bei dem Rektor im Hauſe war, nur
was fuͤr unzaͤhlige Demuͤthigungen und Verach¬
tung von ſeinen Mitſchuͤlern zog ihm dieſer
ihm ſo reizend geſchilderte Aufenthalt zu! —

Den aͤußern Anſchein nach konnte nun auch
von Reiſern niemand als ſchlecht urtheilen —
und der Rektor ſagte ſelbſt zum Paſtor M. . .
es wuͤrde hoͤchſtens einmal ein Dorf¬
ſchulmeiſter aus ihm werden
. — Dieß hielt
der Paſtor M. . . nachher Reiſern wieder vor,
und ſein Muth wuͤrde durch dieß Urtheil des
Rektors uͤber ihn, dem er damals noch nicht viel
Selbſtgefuͤhl entgegen ſetzen konnte, noch mehr
niedergeſchlagen.

Weil nun der Rektor ſicher zu glauben ſchien,
daß aus Reiſern, doch nie etwas wuͤrde, ſo brauch¬

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[137/0147] Umſtaͤnden an ſeinem ſchlecht in die Augen fallen¬ den Betragen ſchuld war. Anton Reiſers Schickſal ſchien es nun ein¬ mal zu ſeyn, Wohlthaten zu ſeiner Qual zu em¬ pfangen — Es war Wohlthat, daß er ein Jahrlang bei der Frau F. . . im Hauſe war, und in welcher peinlichen und druͤckenden Lage brachte er dieſes Jahr zu! — Es war Wohl¬ that, daß er bei dem Rektor im Hauſe war, nur was fuͤr unzaͤhlige Demuͤthigungen und Verach¬ tung von ſeinen Mitſchuͤlern zog ihm dieſer ihm ſo reizend geſchilderte Aufenthalt zu! — Den aͤußern Anſchein nach konnte nun auch von Reiſern niemand als ſchlecht urtheilen — und der Rektor ſagte ſelbſt zum Paſtor M. . . es wuͤrde hoͤchſtens einmal ein Dorf¬ ſchulmeiſter aus ihm werden. — Dieß hielt der Paſtor M. . . nachher Reiſern wieder vor, und ſein Muth wuͤrde durch dieß Urtheil des Rektors uͤber ihn, dem er damals noch nicht viel Selbſtgefuͤhl entgegen ſetzen konnte, noch mehr niedergeſchlagen. Weil nun der Rektor ſicher zu glauben ſchien, daß aus Reiſern, doch nie etwas wuͤrde, ſo brauch¬ I 5

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/147>, abgerufen am 22.11.2024.