Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.man ließ ihn hier nicht für sein widriges Schick¬ Er war damals weit entfernt, daß er sich man ließ ihn hier nicht fuͤr ſein widriges Schick¬ Er war damals weit entfernt, daß er ſich <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0153" n="143"/> man ließ ihn hier nicht fuͤr ſein widriges Schick¬<lb/> ſal buͤßea.</p><lb/> <p>Er war damals weit entfernt, daß er ſich<lb/> gegen ſich ſelbſt haͤtte entſchuldigen ſollen — viel¬<lb/> mehr trauete er dem Urtheil ſo vieler Menſchen<lb/> mehr, als ſeinem eigenen Urtheil uͤber ſich ſelbſt, zu<lb/> — er klagte ſich oft an, und machte ſich die bit¬<lb/> terſten Vorwuͤrfe, uͤber ſeine Verſaͤumniß im<lb/> Studiren, uͤber ſein Leſen, und uͤber ſein Schul¬<lb/> den machen beim Buͤcherantiquarius — denn<lb/> er war damals nicht im Stande, ſich das alles<lb/> als eine natuͤrliche Folge, der engſten Verhaͤlt¬<lb/> niſſe, worin er ſich befand, zu erklaͤren — In<lb/> ſolcher Stimmung der Seele, wo er gegen ſich<lb/> ſelbſt aufgebracht, und ſeine Phantaſie noch durch<lb/> ein Trauerſpiel, das er eben geleſen hatte, er¬<lb/> hitzt war, ſchrieb er einmal einen verzweiflungs¬<lb/> vollen Brief an ſeinen Vater, worinn er ſich<lb/> als den groͤßten Verbrecher anklagte, und der<lb/> mit unzaͤhligen Gedankenſtrichen angefuͤllt war,<lb/> ſo daß ſein Vater nicht wußte, was er aus dem<lb/> Brief machen ſollte, und fuͤr den Verſtand des<lb/> Verfaſſers im Ernſt zu fuͤrchten anfing — der<lb/> ganze Brief war im Grunde eine Rolle die Rei¬<lb/></p> </body> </text> </TEI> [143/0153]
man ließ ihn hier nicht fuͤr ſein widriges Schick¬
ſal buͤßea.
Er war damals weit entfernt, daß er ſich
gegen ſich ſelbſt haͤtte entſchuldigen ſollen — viel¬
mehr trauete er dem Urtheil ſo vieler Menſchen
mehr, als ſeinem eigenen Urtheil uͤber ſich ſelbſt, zu
— er klagte ſich oft an, und machte ſich die bit¬
terſten Vorwuͤrfe, uͤber ſeine Verſaͤumniß im
Studiren, uͤber ſein Leſen, und uͤber ſein Schul¬
den machen beim Buͤcherantiquarius — denn
er war damals nicht im Stande, ſich das alles
als eine natuͤrliche Folge, der engſten Verhaͤlt¬
niſſe, worin er ſich befand, zu erklaͤren — In
ſolcher Stimmung der Seele, wo er gegen ſich
ſelbſt aufgebracht, und ſeine Phantaſie noch durch
ein Trauerſpiel, das er eben geleſen hatte, er¬
hitzt war, ſchrieb er einmal einen verzweiflungs¬
vollen Brief an ſeinen Vater, worinn er ſich
als den groͤßten Verbrecher anklagte, und der
mit unzaͤhligen Gedankenſtrichen angefuͤllt war,
ſo daß ſein Vater nicht wußte, was er aus dem
Brief machen ſollte, und fuͤr den Verſtand des
Verfaſſers im Ernſt zu fuͤrchten anfing — der
ganze Brief war im Grunde eine Rolle die Rei¬
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