Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.wie zwanzig Bücher lesen -- sein beleidigter Stolz Seine Kleidung, die immer schlechter und In der Schule, im Chore, und wenn er Nichts war ihm unausstehlicher, als, wenn wie zwanzig Buͤcher leſen — ſein beleidigter Stolz Seine Kleidung, die immer ſchlechter und In der Schule, im Chore, und wenn er Nichts war ihm unausſtehlicher, als, wenn <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0160" n="150"/> wie zwanzig Buͤcher leſen — ſein beleidigter Stolz<lb/> hatte ſich noch zum letztenmal empoͤrt, und war<lb/> nun beſigt — Reiſer nahm von dieſem Augenblick<lb/> an keine Ruͤckſicht mehr auf ſich ſelbſt — und<lb/><hi rendition="#fr">warf</hi> ſich in Anſehung ſeiner aͤußern Verhaͤlt¬<lb/> niſſe voͤllig <hi rendition="#fr">weg</hi>. —</p><lb/> <p>Seine Kleidung, die immer ſchlechter und<lb/> unordentlicher wurde, kuͤmmerte ihn nicht mehr.</p><lb/> <p>In der Schule, im Chore, und wenn er<lb/> auf der Straße gieng, dachte er ſich mitten un¬<lb/> ter Menſchen, wie allein — denn keiner war,<lb/> der ſich um ihn bekuͤmmerte oder an ihm Theil<lb/> nahm — Sein eignes aͤußres Schickſal war ihm<lb/> daher, ſo veraͤchtlich ſo niedrig, und ſo unbedeu¬<lb/> tend geworden, daß er <hi rendition="#fr">aus ſich ſelbſt nichts<lb/> mehr machte</hi> — an dem Schickſal einer Miß<lb/> Sara Sampſon, einer Julie und Romeos hin¬<lb/> gegen konnte er den lebhafteſten Antheil nehmen;<lb/> damit trug er ſich oft den ganzen Tag herum.</p><lb/> <p>Nichts war ihm unausſtehlicher, als, wenn<lb/> die Lehrſtunden geendigt waren, ſich beim Her¬<lb/> ausgehen unter dem Schwarm ſeiner insgeſammt<lb/> beſſer gekleideten, muntern und lebhaftern Mit¬<lb/> ſchuͤler, zu befinden, von denen ihn keiner mehr<lb/></p> </body> </text> </TEI> [150/0160]
wie zwanzig Buͤcher leſen — ſein beleidigter Stolz
hatte ſich noch zum letztenmal empoͤrt, und war
nun beſigt — Reiſer nahm von dieſem Augenblick
an keine Ruͤckſicht mehr auf ſich ſelbſt — und
warf ſich in Anſehung ſeiner aͤußern Verhaͤlt¬
niſſe voͤllig weg. —
Seine Kleidung, die immer ſchlechter und
unordentlicher wurde, kuͤmmerte ihn nicht mehr.
In der Schule, im Chore, und wenn er
auf der Straße gieng, dachte er ſich mitten un¬
ter Menſchen, wie allein — denn keiner war,
der ſich um ihn bekuͤmmerte oder an ihm Theil
nahm — Sein eignes aͤußres Schickſal war ihm
daher, ſo veraͤchtlich ſo niedrig, und ſo unbedeu¬
tend geworden, daß er aus ſich ſelbſt nichts
mehr machte — an dem Schickſal einer Miß
Sara Sampſon, einer Julie und Romeos hin¬
gegen konnte er den lebhafteſten Antheil nehmen;
damit trug er ſich oft den ganzen Tag herum.
Nichts war ihm unausſtehlicher, als, wenn
die Lehrſtunden geendigt waren, ſich beim Her¬
ausgehen unter dem Schwarm ſeiner insgeſammt
beſſer gekleideten, muntern und lebhaftern Mit¬
ſchuͤler, zu befinden, von denen ihn keiner mehr
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