Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

Außichten und Hoffnungen im Leben gänzlich
verlohren zu seyn. --

Was er nun irgend an Geld auftreiben
konnte, das wurde zur Komödie angewandt, aus
welcher er nun keinen Abend mehr wegbleiben
konnte, wenn er es sich auch am Munde abdar¬
ben sollte -- Um der Komödie willen aß er oft
den ganzen Tag über nichts, wie etwas Salz
und Brodt, wenn ihm nicht etwa die alte Mut¬
ter des Rektors Essen auf seine Stube schickte,
welches sie doch zuweilen aus Mitleid that. --

Und weil es nun Sommer war, so genoß er
auch der Wonne, auf seiner Stube wieder allein
seyn zu können -- welches ihm mehr werth war,
als die köstlichsten Speisen, die er hätte genießen
können. --

Die Außicht auf die Komödie am Abend trö¬
stete ihn, wenn er am Morgen zu einem trauri¬
gen Tage erwachte, wie er denn nie anders er¬
wachte -- Denn die Verachtung und der Spott
seiner Mitschüler, und das dadurch erregte
Gefühl seiner eignen Unwürdigkeit, welches
er allenthalben mit sich umher trug, dauerte
noch immer fort, und verbitterte ihm sein Le¬

L

Außichten und Hoffnungen im Leben gaͤnzlich
verlohren zu ſeyn. —

Was er nun irgend an Geld auftreiben
konnte, das wurde zur Komoͤdie angewandt, aus
welcher er nun keinen Abend mehr wegbleiben
konnte, wenn er es ſich auch am Munde abdar¬
ben ſollte — Um der Komoͤdie willen aß er oft
den ganzen Tag uͤber nichts, wie etwas Salz
und Brodt, wenn ihm nicht etwa die alte Mut¬
ter des Rektors Eſſen auf ſeine Stube ſchickte,
welches ſie doch zuweilen aus Mitleid that. —

Und weil es nun Sommer war, ſo genoß er
auch der Wonne, auf ſeiner Stube wieder allein
ſeyn zu koͤnnen — welches ihm mehr werth war,
als die koͤſtlichſten Speiſen, die er haͤtte genießen
koͤnnen. —

Die Außicht auf die Komoͤdie am Abend troͤ¬
ſtete ihn, wenn er am Morgen zu einem trauri¬
gen Tage erwachte, wie er denn nie anders er¬
wachte — Denn die Verachtung und der Spott
ſeiner Mitſchuͤler, und das dadurch erregte
Gefuͤhl ſeiner eignen Unwuͤrdigkeit, welches
er allenthalben mit ſich umher trug, dauerte
noch immer fort, und verbitterte ihm ſein Le¬

L
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0171" n="161"/>
Außichten und Hoffnungen im Leben ga&#x0364;nzlich<lb/>
verlohren zu &#x017F;eyn. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Was er nun irgend an Geld auftreiben<lb/>
konnte, das wurde zur Komo&#x0364;die angewandt, aus<lb/>
welcher er nun keinen Abend mehr wegbleiben<lb/>
konnte, wenn er es &#x017F;ich auch am Munde abdar¬<lb/>
ben &#x017F;ollte &#x2014; Um der Komo&#x0364;die willen aß er oft<lb/>
den ganzen Tag u&#x0364;ber nichts, wie etwas Salz<lb/>
und Brodt, wenn ihm nicht etwa die alte Mut¬<lb/>
ter des Rektors E&#x017F;&#x017F;en auf &#x017F;eine Stube &#x017F;chickte,<lb/>
welches &#x017F;ie doch zuweilen aus Mitleid that. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Und weil es nun Sommer war, &#x017F;o genoß er<lb/>
auch der Wonne, auf &#x017F;einer Stube wieder allein<lb/>
&#x017F;eyn zu ko&#x0364;nnen &#x2014; welches ihm mehr werth war,<lb/>
als die ko&#x0364;&#x017F;tlich&#x017F;ten Spei&#x017F;en, die er ha&#x0364;tte genießen<lb/>
ko&#x0364;nnen. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Die Außicht auf die Komo&#x0364;die am Abend tro&#x0364;¬<lb/>
&#x017F;tete ihn, wenn er am Morgen zu einem trauri¬<lb/>
gen Tage erwachte, wie er denn nie anders er¬<lb/>
wachte &#x2014; Denn die Verachtung und der Spott<lb/>
&#x017F;einer Mit&#x017F;chu&#x0364;ler, und das dadurch erregte<lb/>
Gefu&#x0364;hl &#x017F;einer eignen Unwu&#x0364;rdigkeit, welches<lb/>
er allenthalben mit &#x017F;ich umher trug, dauerte<lb/>
noch immer fort, und verbitterte ihm &#x017F;ein Le¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L<lb/></fw>
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0171] Außichten und Hoffnungen im Leben gaͤnzlich verlohren zu ſeyn. — Was er nun irgend an Geld auftreiben konnte, das wurde zur Komoͤdie angewandt, aus welcher er nun keinen Abend mehr wegbleiben konnte, wenn er es ſich auch am Munde abdar¬ ben ſollte — Um der Komoͤdie willen aß er oft den ganzen Tag uͤber nichts, wie etwas Salz und Brodt, wenn ihm nicht etwa die alte Mut¬ ter des Rektors Eſſen auf ſeine Stube ſchickte, welches ſie doch zuweilen aus Mitleid that. — Und weil es nun Sommer war, ſo genoß er auch der Wonne, auf ſeiner Stube wieder allein ſeyn zu koͤnnen — welches ihm mehr werth war, als die koͤſtlichſten Speiſen, die er haͤtte genießen koͤnnen. — Die Außicht auf die Komoͤdie am Abend troͤ¬ ſtete ihn, wenn er am Morgen zu einem trauri¬ gen Tage erwachte, wie er denn nie anders er¬ wachte — Denn die Verachtung und der Spott ſeiner Mitſchuͤler, und das dadurch erregte Gefuͤhl ſeiner eignen Unwuͤrdigkeit, welches er allenthalben mit ſich umher trug, dauerte noch immer fort, und verbitterte ihm ſein Le¬ L

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/171
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/171>, abgerufen am 24.11.2024.