Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

zu werden, und auch wirklich seinen Entschluß
ausführt -- Reiser nahm auf die Veranlas¬
sung, die ihn dazu brachte, weil er nehmlich
das unbekannte Dienstmädchen liebte, u. s. w.
gar keine Rücksicht sondern es war ihm eine so rei¬
zende Idee, daß ein gebildeter junger Mensch
sich entschließt, ein Bauer zu werden, und nun
ein so feiner, höflicher, und gesitteter Bauer ist,
daß er sich unter allen übrigen auszeichnet. --

In dem Stande, worin sich Reiser begeben,
war er nun einmal ganz zurück gesetzt, und es
schien ihm unmöglich, sich je wieder darin em¬
por zu arbeiten -- Allein für einen Bauer hatte
doch sein Geist einmal weit mehr Bildung erhal¬
ten, als es sonst zu diesem Stande bedarf --
als Bauer war er über seinen Stand erhoben,
als ein junger Mensch, der sich dem Studiren
widmet, und Aussichten haben soll, fand er sich
weit unter seinen Stand erniedrigt -- Die Idee,
ein Bauer zu werden, wurde also nun bei ihm
die herrschende, und verdrängte eine Zeitlang
alles übrige. --

Nun besuchte damals eines Bauernsohn Na¬
mens M. . . die Schule, dem er im lateinischen

L 5

zu werden, und auch wirklich ſeinen Entſchluß
ausfuͤhrt — Reiſer nahm auf die Veranlaſ¬
ſung, die ihn dazu brachte, weil er nehmlich
das unbekannte Dienſtmaͤdchen liebte, u. ſ. w.
gar keine Ruͤckſicht ſondern es war ihm eine ſo rei¬
zende Idee, daß ein gebildeter junger Menſch
ſich entſchließt, ein Bauer zu werden, und nun
ein ſo feiner, hoͤflicher, und geſitteter Bauer iſt,
daß er ſich unter allen uͤbrigen auszeichnet. —

In dem Stande, worin ſich Reiſer begeben,
war er nun einmal ganz zuruͤck geſetzt, und es
ſchien ihm unmoͤglich, ſich je wieder darin em¬
por zu arbeiten — Allein fuͤr einen Bauer hatte
doch ſein Geiſt einmal weit mehr Bildung erhal¬
ten, als es ſonſt zu dieſem Stande bedarf —
als Bauer war er uͤber ſeinen Stand erhoben,
als ein junger Menſch, der ſich dem Studiren
widmet, und Ausſichten haben ſoll, fand er ſich
weit unter ſeinen Stand erniedrigt — Die Idee,
ein Bauer zu werden, wurde alſo nun bei ihm
die herrſchende, und verdraͤngte eine Zeitlang
alles uͤbrige. —

Nun beſuchte damals eines Bauernſohn Na¬
mens M. . . die Schule, dem er im lateiniſchen

L 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0179" n="169"/>
zu werden, und auch wirklich &#x017F;einen Ent&#x017F;chluß<lb/>
ausfu&#x0364;hrt &#x2014; Rei&#x017F;er nahm auf die Veranla&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;ung, die ihn dazu brachte, weil er nehmlich<lb/>
das unbekannte Dien&#x017F;tma&#x0364;dchen liebte, u. &#x017F;. w.<lb/>
gar keine Ru&#x0364;ck&#x017F;icht &#x017F;ondern es war ihm eine &#x017F;o rei¬<lb/>
zende Idee, daß ein <hi rendition="#fr">gebildeter junger Men&#x017F;ch</hi><lb/>
&#x017F;ich ent&#x017F;chließt, ein Bauer zu werden, und nun<lb/>
ein &#x017F;o feiner, ho&#x0364;flicher, und ge&#x017F;itteter Bauer i&#x017F;t,<lb/>
daß er &#x017F;ich unter allen u&#x0364;brigen auszeichnet. &#x2014;</p><lb/>
      <p>In dem Stande, worin &#x017F;ich Rei&#x017F;er begeben,<lb/>
war er nun einmal ganz zuru&#x0364;ck ge&#x017F;etzt, und es<lb/>
&#x017F;chien ihm unmo&#x0364;glich, &#x017F;ich je wieder darin em¬<lb/>
por zu arbeiten &#x2014; Allein fu&#x0364;r einen Bauer hatte<lb/>
doch &#x017F;ein Gei&#x017F;t einmal weit mehr Bildung erhal¬<lb/>
ten, als es &#x017F;on&#x017F;t zu die&#x017F;em Stande bedarf &#x2014;<lb/>
als Bauer war er u&#x0364;ber &#x017F;einen Stand erhoben,<lb/>
als ein junger Men&#x017F;ch, der &#x017F;ich dem Studiren<lb/>
widmet, und Aus&#x017F;ichten haben &#x017F;oll, fand er &#x017F;ich<lb/>
weit unter &#x017F;einen Stand erniedrigt &#x2014; <hi rendition="#fr">Die Idee,<lb/>
ein Bauer zu werden,</hi> wurde al&#x017F;o nun bei ihm<lb/>
die herr&#x017F;chende, und verdra&#x0364;ngte eine Zeitlang<lb/>
alles u&#x0364;brige. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Nun be&#x017F;uchte damals eines Bauern&#x017F;ohn Na¬<lb/>
mens M. . . die Schule, dem er im lateini&#x017F;chen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L 5<lb/></fw>
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0179] zu werden, und auch wirklich ſeinen Entſchluß ausfuͤhrt — Reiſer nahm auf die Veranlaſ¬ ſung, die ihn dazu brachte, weil er nehmlich das unbekannte Dienſtmaͤdchen liebte, u. ſ. w. gar keine Ruͤckſicht ſondern es war ihm eine ſo rei¬ zende Idee, daß ein gebildeter junger Menſch ſich entſchließt, ein Bauer zu werden, und nun ein ſo feiner, hoͤflicher, und geſitteter Bauer iſt, daß er ſich unter allen uͤbrigen auszeichnet. — In dem Stande, worin ſich Reiſer begeben, war er nun einmal ganz zuruͤck geſetzt, und es ſchien ihm unmoͤglich, ſich je wieder darin em¬ por zu arbeiten — Allein fuͤr einen Bauer hatte doch ſein Geiſt einmal weit mehr Bildung erhal¬ ten, als es ſonſt zu dieſem Stande bedarf — als Bauer war er uͤber ſeinen Stand erhoben, als ein junger Menſch, der ſich dem Studiren widmet, und Ausſichten haben ſoll, fand er ſich weit unter ſeinen Stand erniedrigt — Die Idee, ein Bauer zu werden, wurde alſo nun bei ihm die herrſchende, und verdraͤngte eine Zeitlang alles uͤbrige. — Nun beſuchte damals eines Bauernſohn Na¬ mens M. . . die Schule, dem er im lateiniſchen L 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/179
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/179>, abgerufen am 24.11.2024.