Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

ins Chor zu gehen; nicht sowohl um Geld zu
verdienen, als vielmehr in einen neuen ehren¬
vollen Stand zu treten, wovon er sich schon als
Hutmacherbursche in B. . . immer so große Be¬
griffe gemacht hatte. --

Seine Phantasie hatte hier wieder Spiel¬
raum -- Das war ihm alles so himmlisch, so
feierlich in die Lobgesänge zur Ehre Gottes
öffentlich mit einzustimmen -- Der Nahme
Chor
tönte ihm so angenehm. -- Das Lob
Gottes in vollen Chören zu singen, war ein
Ausdruck, der ihm immer im Sinne schallte. --
Er konnte die Zeit kaum abwarten! wo er in
diese glänzende Versammlung würde aufge¬
nommen werden.

Einer seiner Mitschüler, der schon lange
im Chor gesungen hatte, versicherte ihm zwar,
er sey es so satt und überdrüßig, daß er lieber
Heute als Morgen davon frei sein möchte --
Reiser konnte sich das unmöglich einbilden. Er
besuchte mit großem Eifer die Lehrstunde, wo der
Kantor Unterricht im Singen ertheilte, und be¬
neidete nun jeden, der eine bessere Stimme be¬
saß, als er.

E

ins Chor zu gehen; nicht ſowohl um Geld zu
verdienen, als vielmehr in einen neuen ehren¬
vollen Stand zu treten, wovon er ſich ſchon als
Hutmacherburſche in B. . . immer ſo große Be¬
griffe gemacht hatte. —

Seine Phantaſie hatte hier wieder Spiel¬
raum — Das war ihm alles ſo himmliſch, ſo
feierlich in die Lobgeſaͤnge zur Ehre Gottes
oͤffentlich mit einzuſtimmen — Der Nahme
Chor
toͤnte ihm ſo angenehm. — Das Lob
Gottes in vollen Choͤren zu ſingen, war ein
Ausdruck, der ihm immer im Sinne ſchallte. —
Er konnte die Zeit kaum abwarten! wo er in
dieſe glaͤnzende Verſammlung wuͤrde aufge¬
nommen werden.

Einer ſeiner Mitſchuͤler, der ſchon lange
im Chor geſungen hatte, verſicherte ihm zwar,
er ſey es ſo ſatt und uͤberdruͤßig, daß er lieber
Heute als Morgen davon frei ſein moͤchte —
Reiſer konnte ſich das unmoͤglich einbilden. Er
beſuchte mit großem Eifer die Lehrſtunde, wo der
Kantor Unterricht im Singen ertheilte, und be¬
neidete nun jeden, der eine beſſere Stimme be¬
ſaß, als er.

E
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0075" n="65"/>
ins Chor zu gehen; nicht &#x017F;owohl um Geld zu<lb/>
verdienen, als vielmehr in einen neuen ehren¬<lb/>
vollen Stand zu treten, wovon er &#x017F;ich &#x017F;chon als<lb/>
Hutmacherbur&#x017F;che in B. . . immer &#x017F;o große Be¬<lb/>
griffe gemacht hatte. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Seine Phanta&#x017F;ie hatte hier wieder Spiel¬<lb/>
raum &#x2014; Das war ihm alles &#x017F;o himmli&#x017F;ch, &#x017F;o<lb/>
feierlich in die Lobge&#x017F;a&#x0364;nge zur Ehre Gottes<lb/>
o&#x0364;ffentlich mit einzu&#x017F;timmen &#x2014; <hi rendition="#fr">Der Nahme<lb/>
Chor</hi> to&#x0364;nte ihm &#x017F;o angenehm. &#x2014; <hi rendition="#fr">Das Lob</hi><lb/>
Gottes in <hi rendition="#fr">vollen Cho&#x0364;ren</hi> zu &#x017F;ingen, war ein<lb/>
Ausdruck, der ihm immer im Sinne &#x017F;challte. &#x2014;<lb/>
Er konnte die Zeit kaum abwarten! wo er in<lb/>
die&#x017F;e gla&#x0364;nzende Ver&#x017F;ammlung wu&#x0364;rde aufge¬<lb/>
nommen werden.</p><lb/>
      <p>Einer &#x017F;einer Mit&#x017F;chu&#x0364;ler, der &#x017F;chon lange<lb/>
im Chor ge&#x017F;ungen hatte, ver&#x017F;icherte ihm zwar,<lb/>
er &#x017F;ey es &#x017F;o &#x017F;att und u&#x0364;berdru&#x0364;ßig, daß er lieber<lb/>
Heute als Morgen davon frei &#x017F;ein mo&#x0364;chte &#x2014;<lb/>
Rei&#x017F;er konnte &#x017F;ich das unmo&#x0364;glich einbilden. Er<lb/>
be&#x017F;uchte mit großem Eifer die Lehr&#x017F;tunde, wo der<lb/>
Kantor Unterricht im Singen ertheilte, und be¬<lb/>
neidete nun jeden, der eine be&#x017F;&#x017F;ere Stimme be¬<lb/>
&#x017F;aß, als er.</p><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig">E<lb/></fw>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0075] ins Chor zu gehen; nicht ſowohl um Geld zu verdienen, als vielmehr in einen neuen ehren¬ vollen Stand zu treten, wovon er ſich ſchon als Hutmacherburſche in B. . . immer ſo große Be¬ griffe gemacht hatte. — Seine Phantaſie hatte hier wieder Spiel¬ raum — Das war ihm alles ſo himmliſch, ſo feierlich in die Lobgeſaͤnge zur Ehre Gottes oͤffentlich mit einzuſtimmen — Der Nahme Chor toͤnte ihm ſo angenehm. — Das Lob Gottes in vollen Choͤren zu ſingen, war ein Ausdruck, der ihm immer im Sinne ſchallte. — Er konnte die Zeit kaum abwarten! wo er in dieſe glaͤnzende Verſammlung wuͤrde aufge¬ nommen werden. Einer ſeiner Mitſchuͤler, der ſchon lange im Chor geſungen hatte, verſicherte ihm zwar, er ſey es ſo ſatt und uͤberdruͤßig, daß er lieber Heute als Morgen davon frei ſein moͤchte — Reiſer konnte ſich das unmoͤglich einbilden. Er beſuchte mit großem Eifer die Lehrſtunde, wo der Kantor Unterricht im Singen ertheilte, und be¬ neidete nun jeden, der eine beſſere Stimme be¬ ſaß, als er. E

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/75
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/75>, abgerufen am 22.11.2024.