Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.Sobald sich auch sein Ausdruck dahin lenkte, Sobald ſich auch ſein Ausdruck dahin lenkte, <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0165" n="155"/> <p>Sobald ſich auch ſein Ausdruck dahin lenkte,<lb/> wurde er natuͤrlich und wahr. — Wie er denn<lb/> einmal den Auftrag erhielt, fuͤr jemanden <hi rendition="#fr">ver¬<lb/> liebte Klagen</hi> zu dichten. — Eine Situation,<lb/> in welche er ſich mit aller Anſtrengung nicht ver¬<lb/> ſetzen konnte, denn weil er gar nicht glaubte, daß<lb/> er von einem Frauenzimmer je geliebt werden<lb/> koͤnnte — indem er ſein ganzes Aeußre einmal<lb/> fuͤr ſo wenig empfelend hielt, daß er gaͤnzlich<lb/> Verzicht darauf gethan hatte, je zu gefallen; ſo<lb/> konnte er ſich nie in die Lage eines ſolchen ſetzen,<lb/> der daruͤber klagt, daß er nicht geliebt wird —<lb/> was er alſo hievon wußte, das dachte er ſich<lb/> bloß, ohne es je empfinden zu koͤnnen. — Dem¬<lb/> ohngeachtet geriethen ihm die <hi rendition="#fr">verliebten Kla¬<lb/> gen</hi>, die er entwarf, nicht ganz uͤbel, weil er<lb/> das kurz darin zuſammendraͤngte, was er aus<lb/> Romanen und Philipp Reiſers Unterredungen<lb/> wußte. — Zuletzt aber dachte er ſich nun den<lb/> Liebhaber in <choice><sic>eiuem</sic><corr>einem</corr></choice> Zuſtande, wo er vom Ueber¬<lb/> reſt ſeiner Leiden niedergedruͤckt der Verzweiflung<lb/> nahe iſt, und ohne nun ferner auf die Urſach der<lb/> Verzweiflung Ruͤckſicht zu nehmen, dachte er ſich<lb/> nun den Verzweiflungsvollen, und konnte ſich<lb/></p> </body> </text> </TEI> [155/0165]
Sobald ſich auch ſein Ausdruck dahin lenkte,
wurde er natuͤrlich und wahr. — Wie er denn
einmal den Auftrag erhielt, fuͤr jemanden ver¬
liebte Klagen zu dichten. — Eine Situation,
in welche er ſich mit aller Anſtrengung nicht ver¬
ſetzen konnte, denn weil er gar nicht glaubte, daß
er von einem Frauenzimmer je geliebt werden
koͤnnte — indem er ſein ganzes Aeußre einmal
fuͤr ſo wenig empfelend hielt, daß er gaͤnzlich
Verzicht darauf gethan hatte, je zu gefallen; ſo
konnte er ſich nie in die Lage eines ſolchen ſetzen,
der daruͤber klagt, daß er nicht geliebt wird —
was er alſo hievon wußte, das dachte er ſich
bloß, ohne es je empfinden zu koͤnnen. — Dem¬
ohngeachtet geriethen ihm die verliebten Kla¬
gen, die er entwarf, nicht ganz uͤbel, weil er
das kurz darin zuſammendraͤngte, was er aus
Romanen und Philipp Reiſers Unterredungen
wußte. — Zuletzt aber dachte er ſich nun den
Liebhaber in einem Zuſtande, wo er vom Ueber¬
reſt ſeiner Leiden niedergedruͤckt der Verzweiflung
nahe iſt, und ohne nun ferner auf die Urſach der
Verzweiflung Ruͤckſicht zu nehmen, dachte er ſich
nun den Verzweiflungsvollen, und konnte ſich
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