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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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Edelknaben ab -- und in dem Manne nach der
Uhr erhielt Reiser die Rolle des Magister Bla¬
sius. --

Reiser war nun darüber melancholisch, daß
er den Klavigo nicht spielen sollte, und J. . . daß
er überhaupt nicht mehr mit Komödie spielen
sollte -- beide aber suchten sich zu überreden, daß
sie des Lebens um sein selbst willen überdrüssig
wären, und luden sich einmal des Nachts zwei
Pistolen, womit sie fast die ganze Nacht hindurch
Kurzweil trieben, indem sie seyn oder nicht
seyn
hertragierten. --

Bei Reisern ging indes der Lebensüberdruß
in der That so weit, daß er nicht aus der Stelle
wich, wenn J. . . die geladene Pistole auf ihn
hielt, und den Finger anlegte, um sie abzu¬
drücken, indes Reiser eben dasselbe wieder gegen
ihn that. --

Am andern Tage aber hatte er einen etwas
ernsthaftern Auftritt mit Philipp Reisern, den
er besuchte. -- Er hatte die Nacht nicht geschla¬
fen, eine dumme Trägheit blickte aus seinen
hohlen Augen hervor, der Lebensüberdruß saß
auf seiner Stirne, alle Spannkraft seiner Seele

Edelknaben ab — und in dem Manne nach der
Uhr erhielt Reiſer die Rolle des Magiſter Bla¬
ſius. —

Reiſer war nun daruͤber melancholiſch, daß
er den Klavigo nicht ſpielen ſollte, und J. . . daß
er uͤberhaupt nicht mehr mit Komoͤdie ſpielen
ſollte — beide aber ſuchten ſich zu uͤberreden, daß
ſie des Lebens um ſein ſelbſt willen uͤberdruͤſſig
waͤren, und luden ſich einmal des Nachts zwei
Piſtolen, womit ſie faſt die ganze Nacht hindurch
Kurzweil trieben, indem ſie ſeyn oder nicht
ſeyn
hertragierten. —

Bei Reiſern ging indes der Lebensuͤberdruß
in der That ſo weit, daß er nicht aus der Stelle
wich, wenn J. . . die geladene Piſtole auf ihn
hielt, und den Finger anlegte, um ſie abzu¬
druͤcken, indes Reiſer eben daſſelbe wieder gegen
ihn that. —

Am andern Tage aber hatte er einen etwas
ernſthaftern Auftritt mit Philipp Reiſern, den
er beſuchte. — Er hatte die Nacht nicht geſchla¬
fen, eine dumme Traͤgheit blickte aus ſeinen
hohlen Augen hervor, der Lebensuͤberdruß ſaß
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[212/0222] Edelknaben ab — und in dem Manne nach der Uhr erhielt Reiſer die Rolle des Magiſter Bla¬ ſius. — Reiſer war nun daruͤber melancholiſch, daß er den Klavigo nicht ſpielen ſollte, und J. . . daß er uͤberhaupt nicht mehr mit Komoͤdie ſpielen ſollte — beide aber ſuchten ſich zu uͤberreden, daß ſie des Lebens um ſein ſelbſt willen uͤberdruͤſſig waͤren, und luden ſich einmal des Nachts zwei Piſtolen, womit ſie faſt die ganze Nacht hindurch Kurzweil trieben, indem ſie ſeyn oder nicht ſeyn hertragierten. — Bei Reiſern ging indes der Lebensuͤberdruß in der That ſo weit, daß er nicht aus der Stelle wich, wenn J. . . die geladene Piſtole auf ihn hielt, und den Finger anlegte, um ſie abzu¬ druͤcken, indes Reiſer eben daſſelbe wieder gegen ihn that. — Am andern Tage aber hatte er einen etwas ernſthaftern Auftritt mit Philipp Reiſern, den er beſuchte. — Er hatte die Nacht nicht geſchla¬ fen, eine dumme Traͤgheit blickte aus ſeinen hohlen Augen hervor, der Lebensuͤberdruß ſaß auf ſeiner Stirne, alle Spannkraft ſeiner Seele

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/222>, abgerufen am 24.11.2024.