in der dicken Mauer nach jeder Seite zu mir ein einziges Fensterchen, durch welches das Licht schräg hereinfallen konnte -- die Thüre wie halb in die Erde versunken, und so niedrig, daß es schien, man könne nicht anders als gebückt hineingehen. -- Und eben so klein nnd unansehn¬ lich, wie die Kirche war, so enge und klein war auch der Kirchhof, wo die aufsteigenden Grab¬ hügel dichtaneinander gedrängt, und mit hohen Nesseln bewachsen waren. -- Der Horizont war schon verdunkelt; der Himmel schien in der trüben Dämmerung allenthalben dicht auf zu liegen, das Gesicht wurde auf den kleinen Fleck Erde, den man um sich her sahe, begränzt -- das Winzige und Kleine des Dorfes, des Kirchhofes, und der Kirche that auf Reisern eine sonderbare Wir¬ kung -- das Ende aller Dinge schien ihm in solch eine Spitze hinauszulaufen -- der enge dumpfe Sarg war das letzte -- hierhinter war nun nichts weiter -- hier war die zugenagelte Bretterwand -- die jedem Sterblichen den fer¬ nern Blick versagt. -- Das Bild erfüllte Reisern mit Eckel -- der Gedanke an dieß Auslaufen in einer solchen Spitze, dieß Aufhören ins
in der dicken Mauer nach jeder Seite zu mir ein einziges Fenſterchen, durch welches das Licht ſchraͤg hereinfallen konnte — die Thuͤre wie halb in die Erde verſunken, und ſo niedrig, daß es ſchien, man koͤnne nicht anders als gebuͤckt hineingehen. — Und eben ſo klein nnd unanſehn¬ lich, wie die Kirche war, ſo enge und klein war auch der Kirchhof, wo die aufſteigenden Grab¬ huͤgel dichtaneinander gedraͤngt, und mit hohen Neſſeln bewachſen waren. — Der Horizont war ſchon verdunkelt; der Himmel ſchien in der truͤben Daͤmmerung allenthalben dicht auf zu liegen, das Geſicht wurde auf den kleinen Fleck Erde, den man um ſich her ſahe, begraͤnzt — das Winzige und Kleine des Dorfes, des Kirchhofes, und der Kirche that auf Reiſern eine ſonderbare Wir¬ kung — das Ende aller Dinge ſchien ihm in ſolch eine Spitze hinauszulaufen — der enge dumpfe Sarg war das letzte — hierhinter war nun nichts weiter — hier war die zugenagelte Bretterwand — die jedem Sterblichen den fer¬ nern Blick verſagt. — Das Bild erfuͤllte Reiſern mit Eckel — der Gedanke an dieß Auslaufen in einer ſolchen Spitze, dieß Aufhoͤren ins
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in der dicken Mauer nach jeder Seite zu mir ein
einziges Fenſterchen, durch welches das Licht
ſchraͤg hereinfallen konnte — die Thuͤre wie
halb in die Erde verſunken, und ſo niedrig, daß
es ſchien, man koͤnne nicht anders als gebuͤckt
hineingehen. — Und eben ſo klein nnd unanſehn¬
lich, wie die Kirche war, ſo enge und klein war
auch der Kirchhof, wo die aufſteigenden Grab¬
huͤgel dichtaneinander gedraͤngt, und mit hohen
Neſſeln bewachſen waren. — Der Horizont war
ſchon verdunkelt; der Himmel ſchien in der truͤben
Daͤmmerung allenthalben dicht auf zu liegen, das
Geſicht wurde auf den kleinen Fleck Erde, den
man um ſich her ſahe, begraͤnzt — das Winzige
und Kleine des Dorfes, des Kirchhofes, und
der Kirche that auf Reiſern eine ſonderbare Wir¬
kung — das Ende aller Dinge ſchien ihm in
ſolch eine Spitze hinauszulaufen — der enge
dumpfe Sarg war das letzte — hierhinter war
nun nichts weiter — hier war die zugenagelte
Bretterwand — die jedem Sterblichen den fer¬
nern Blick verſagt. — Das Bild erfuͤllte Reiſern
mit Eckel — der Gedanke an dieß Auslaufen in
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/238>, abgerufen am 16.02.2025.
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