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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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wie Anton Reiser weiter laß, und die schwellende
Leidenschaft mit dem wachsenden Interesse der
Handlung stieg. --

Diese Shakespearnächte gehören zu den
angenehmsten Erinnerungen in Reisers Leben. --
Aber wenn auch durch irgend etwas sein Geist
gebildet wurde, so war es durch diese Lektüre,
wogegen alles, was er sonst dramatisches gelesen
hatte, gänzlich in Schatten gesetzt und verdun¬
kelt wurde. Selbst über seine äußern Verhält¬
nisse lernte er sich auf eine edlere Art hinweg¬
setzen -- selbst bei seiner Melancholie nahm seine
Phantasie einen höhern Schwung. --

Durch den Shakespear war er die Welt der
menschlichen Leidenschaften hindurch geführt --
der enge Kreis seines idealischen Daseyns hatte
sich erweitert -- er lebte nicht mehr so einzeln und
unbedeutend, daß er sich unter der Menge ver¬
lohr -- denn er hatte die Empfindungen Tau¬
sender beim Lesen des Shakespear mit durchem¬
pfunden. --

Nachdem er den Shakespear, und so wie er
ihn gelesen hatte, war er schon kein gemeiner und
alltäglicher Mensch mehr -- es dauerte auch nun

3r Theil. D

wie Anton Reiſer weiter laß, und die ſchwellende
Leidenſchaft mit dem wachſenden Intereſſe der
Handlung ſtieg. —

Dieſe Shakeſpearnaͤchte gehoͤren zu den
angenehmſten Erinnerungen in Reiſers Leben. —
Aber wenn auch durch irgend etwas ſein Geiſt
gebildet wurde, ſo war es durch dieſe Lektuͤre,
wogegen alles, was er ſonſt dramatiſches geleſen
hatte, gaͤnzlich in Schatten geſetzt und verdun¬
kelt wurde. Selbſt uͤber ſeine aͤußern Verhaͤlt¬
niſſe lernte er ſich auf eine edlere Art hinweg¬
ſetzen — ſelbſt bei ſeiner Melancholie nahm ſeine
Phantaſie einen hoͤhern Schwung. —

Durch den Shakeſpear war er die Welt der
menſchlichen Leidenſchaften hindurch gefuͤhrt —
der enge Kreis ſeines idealiſchen Daſeyns hatte
ſich erweitert — er lebte nicht mehr ſo einzeln und
unbedeutend, daß er ſich unter der Menge ver¬
lohr — denn er hatte die Empfindungen Tau¬
ſender beim Leſen des Shakeſpear mit durchem¬
pfunden. —

Nachdem er den Shakeſpear, und ſo wie er
ihn geleſen hatte, war er ſchon kein gemeiner und
alltaͤglicher Menſch mehr — es dauerte auch nun

3r Theil. D
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[49/0059] wie Anton Reiſer weiter laß, und die ſchwellende Leidenſchaft mit dem wachſenden Intereſſe der Handlung ſtieg. — Dieſe Shakeſpearnaͤchte gehoͤren zu den angenehmſten Erinnerungen in Reiſers Leben. — Aber wenn auch durch irgend etwas ſein Geiſt gebildet wurde, ſo war es durch dieſe Lektuͤre, wogegen alles, was er ſonſt dramatiſches geleſen hatte, gaͤnzlich in Schatten geſetzt und verdun¬ kelt wurde. Selbſt uͤber ſeine aͤußern Verhaͤlt¬ niſſe lernte er ſich auf eine edlere Art hinweg¬ ſetzen — ſelbſt bei ſeiner Melancholie nahm ſeine Phantaſie einen hoͤhern Schwung. — Durch den Shakeſpear war er die Welt der menſchlichen Leidenſchaften hindurch gefuͤhrt — der enge Kreis ſeines idealiſchen Daſeyns hatte ſich erweitert — er lebte nicht mehr ſo einzeln und unbedeutend, daß er ſich unter der Menge ver¬ lohr — denn er hatte die Empfindungen Tau¬ ſender beim Leſen des Shakeſpear mit durchem¬ pfunden. — Nachdem er den Shakeſpear, und ſo wie er ihn geleſen hatte, war er ſchon kein gemeiner und alltaͤglicher Menſch mehr — es dauerte auch nun 3r Theil. D

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/59>, abgerufen am 23.11.2024.