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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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er selber sein einsames Gärtchen bauen, -- den
sanften Strahl der Abendsonne in seiner Zelle
begrüßen -- und allen irrdischen Wünschen und
Hoffnungen entnommen mit Ruhe und Heiter¬
keit dem Tode entgegen sehen.

In dieser Stimmung machte er nun auf den
alten eingefallnen Mauern hinter seiner Woh¬
nung, folgendes Gedicht:

Du stille geweihte Behausung, des Grabes
rührendes Vorbild,

Welch eine geheime Empfindung heftet mein
Auge voll Thränen,

Auf deine einsamen Hütten? Ehrwürd'ger
Greis, du Bewohner

Des Orts der Stille und der Andacht, Heil
dir! vom leeren Gewimmel

Der gaukelnden Eitelkeit fern, und fern vom
Geräusche des Stolzes,

Kannst du mit eignen Händen dein einsames
Gärtchen dir bauen,

Und deine Seele, die oft, mit edlem Unwil¬
len strebet,

Aus ihrem Kerker zu fliehen, mit jedem kom¬
menden Tage,

er ſelber ſein einſames Gaͤrtchen bauen, — den
ſanften Strahl der Abendſonne in ſeiner Zelle
begruͤßen — und allen irrdiſchen Wuͤnſchen und
Hoffnungen entnommen mit Ruhe und Heiter¬
keit dem Tode entgegen ſehen.

In dieſer Stimmung machte er nun auf den
alten eingefallnen Mauern hinter ſeiner Woh¬
nung, folgendes Gedicht:

Du ſtille geweihte Behauſung, des Grabes
ruͤhrendes Vorbild,

Welch eine geheime Empfindung heftet mein
Auge voll Thraͤnen,

Auf deine einſamen Huͤtten? Ehrwuͤrd'ger
Greis, du Bewohner

Des Orts der Stille und der Andacht, Heil
dir! vom leeren Gewimmel

Der gaukelnden Eitelkeit fern, und fern vom
Geraͤuſche des Stolzes,

Kannſt du mit eignen Haͤnden dein einſames
Gaͤrtchen dir bauen,

Und deine Seele, die oft, mit edlem Unwil¬
len ſtrebet,

Aus ihrem Kerker zu fliehen, mit jedem kom¬
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[123/0137] er ſelber ſein einſames Gaͤrtchen bauen, — den ſanften Strahl der Abendſonne in ſeiner Zelle begruͤßen — und allen irrdiſchen Wuͤnſchen und Hoffnungen entnommen mit Ruhe und Heiter¬ keit dem Tode entgegen ſehen. In dieſer Stimmung machte er nun auf den alten eingefallnen Mauern hinter ſeiner Woh¬ nung, folgendes Gedicht: Du ſtille geweihte Behauſung, des Grabes ruͤhrendes Vorbild, Welch eine geheime Empfindung heftet mein Auge voll Thraͤnen, Auf deine einſamen Huͤtten? Ehrwuͤrd'ger Greis, du Bewohner Des Orts der Stille und der Andacht, Heil dir! vom leeren Gewimmel Der gaukelnden Eitelkeit fern, und fern vom Geraͤuſche des Stolzes, Kannſt du mit eignen Haͤnden dein einſames Gaͤrtchen dir bauen, Und deine Seele, die oft, mit edlem Unwil¬ len ſtrebet, Aus ihrem Kerker zu fliehen, mit jedem kom¬ menden Tage,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/137>, abgerufen am 21.11.2024.