Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.Dem Himmel würdiger machen -- Heil dir! genieße die Seegen Der göttlichen Einsamkeit ganz, daß dein von Erdegedanken Schon lang entwöhnter Geist, in Engelge¬ fühlen zerfliesse Und zu seinem ewigen Ursprung sich jauchzend emporschwinge -- herrlich, O Greis, war so das Loos deiner Tage! Du aber, den Jahre, Voll Kummer des Lebens durchlebt, noch nicht die sinkende Scheitel Bereisten, rüst'ger Mann, und du starker, blühender Jüngling, Der, für die Freuden des Lebens, die einsa¬ me Zelle sich wählte; O warst du vielleicht das Ziel der Verachtung des höhnenden Stolzes? Betrog dich vielleicht ein falscher Freund? oder fühltest du lebhaft, Wie alle die Wünsche der Menschen und ihre Hoffnungen alle So nichtig und doch so stolz sind? War's ver¬ bitternder Ekel Vor diesen schaalen unschmackhaften Freuden des Lebens, der dir einst Dem Himmel wuͤrdiger machen — Heil dir! genieße die Seegen Der goͤttlichen Einſamkeit ganz, daß dein von Erdegedanken Schon lang entwoͤhnter Geiſt, in Engelge¬ fuͤhlen zerflieſſe Und zu ſeinem ewigen Urſprung ſich jauchzend emporſchwinge — herrlich, O Greis, war ſo das Loos deiner Tage! Du aber, den Jahre, Voll Kummer des Lebens durchlebt, noch nicht die ſinkende Scheitel Bereiſten, ruͤſt'ger Mann, und du ſtarker, bluͤhender Juͤngling, Der, fuͤr die Freuden des Lebens, die einſa¬ me Zelle ſich waͤhlte; O warſt du vielleicht das Ziel der Verachtung des hoͤhnenden Stolzes? Betrog dich vielleicht ein falſcher Freund? oder fuͤhlteſt du lebhaft, Wie alle die Wuͤnſche der Menſchen und ihre Hoffnungen alle So nichtig und doch ſo ſtolz ſind? War's ver¬ bitternder Ekel Vor dieſen ſchaalen unſchmackhaften Freuden des Lebens, der dir einſt <TEI> <text> <body> <lg type="poem"> <pb facs="#f0138" n="124"/> <lg n="2"> <l>Dem Himmel wuͤrdiger machen — Heil dir!<lb/><hi rendition="#et">genieße die Seegen</hi></l><lb/> <l>Der goͤttlichen Einſamkeit ganz, daß dein<lb/><hi rendition="#et">von Erdegedanken</hi></l><lb/> <l>Schon lang entwoͤhnter Geiſt, in Engelge¬<lb/><hi rendition="#et">fuͤhlen zerflieſſe</hi></l><lb/> <l>Und zu ſeinem ewigen Urſprung ſich jauchzend<lb/><hi rendition="#et">emporſchwinge — herrlich,</hi></l><lb/> <l>O Greis, war ſo das Loos deiner Tage! Du<lb/><hi rendition="#et">aber, den Jahre,</hi></l><lb/> <l>Voll Kummer des Lebens durchlebt, noch<lb/><hi rendition="#et">nicht die ſinkende Scheitel</hi></l><lb/> <l>Bereiſten, ruͤſt'ger Mann, und du ſtarker,<lb/><hi rendition="#et">bluͤhender Juͤngling,</hi></l><lb/> <l>Der, fuͤr die Freuden des Lebens, die einſa¬<lb/><hi rendition="#et">me Zelle ſich waͤhlte;</hi></l><lb/> <l>O warſt du vielleicht das Ziel der Verachtung<lb/><hi rendition="#et">des hoͤhnenden Stolzes?</hi></l><lb/> <l>Betrog dich vielleicht ein falſcher Freund?<lb/><hi rendition="#et">oder fuͤhlteſt du lebhaft,</hi></l><lb/> <l>Wie alle die Wuͤnſche der Menſchen und ihre<lb/><hi rendition="#et">Hoffnungen alle</hi></l><lb/> <l>So nichtig und doch ſo ſtolz ſind? War's ver¬<lb/><hi rendition="#et">bitternder Ekel</hi></l><lb/> <l>Vor dieſen ſchaalen unſchmackhaften Freuden<lb/><hi rendition="#et">des Lebens, der dir einſt</hi></l><lb/> </lg> </lg> </body> </text> </TEI> [124/0138]
Dem Himmel wuͤrdiger machen — Heil dir!
genieße die Seegen
Der goͤttlichen Einſamkeit ganz, daß dein
von Erdegedanken
Schon lang entwoͤhnter Geiſt, in Engelge¬
fuͤhlen zerflieſſe
Und zu ſeinem ewigen Urſprung ſich jauchzend
emporſchwinge — herrlich,
O Greis, war ſo das Loos deiner Tage! Du
aber, den Jahre,
Voll Kummer des Lebens durchlebt, noch
nicht die ſinkende Scheitel
Bereiſten, ruͤſt'ger Mann, und du ſtarker,
bluͤhender Juͤngling,
Der, fuͤr die Freuden des Lebens, die einſa¬
me Zelle ſich waͤhlte;
O warſt du vielleicht das Ziel der Verachtung
des hoͤhnenden Stolzes?
Betrog dich vielleicht ein falſcher Freund?
oder fuͤhlteſt du lebhaft,
Wie alle die Wuͤnſche der Menſchen und ihre
Hoffnungen alle
So nichtig und doch ſo ſtolz ſind? War's ver¬
bitternder Ekel
Vor dieſen ſchaalen unſchmackhaften Freuden
des Lebens, der dir einſt
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |