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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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Korrekturen besorgt, und Trauerspiele abge¬
schrieben hätte.

Kurz, er ließ sich für seine Kuren nichts be¬
zahlen, und brachte auch dazu den armen Leu¬
ten noch die Arzenei ins Haus, die er selbst ver¬
fertigte, und das wenige was ihm übrig oder
nicht übrig blieb, darauf verwandte. Weil
er sich nun dadurch gleichsam weggeworfen hat¬
te, so hatten die Leute aus der großen und vor¬
nehmen Welt kein Zutrauen zu ihm; niemand
zog ihn zu Rathe, und unter den meisten war
sogar sein Nahme nicht einmal bekannt, ob er
sich gleich als Arzt schon keine geringe Erfah¬
rung und Geschicklichkeit erworben hatte.

Er hatte auch in diesem Fache schon eigene
vortrefliche Ausarbeitungen geliefert, die aber
das Unglück hatten, sich unter der Menge zu
verlieren, und eben so wie ihr Verfasser, von
den Zeitgenossen nicht bemerkt zu werden. Und
während, daß er nun seine übrigen medizini¬
schen Ausarbeitungen in seinem Pulte verschlos¬
sen hielt, mußte er die Schrift eines französi¬
schen Arztes, der nach Erfurt kam, und besser,
als der Doktor Sauer, sich wußte bemerken zu

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Korrekturen beſorgt, und Trauerſpiele abge¬
ſchrieben haͤtte.

Kurz, er ließ ſich fuͤr ſeine Kuren nichts be¬
zahlen, und brachte auch dazu den armen Leu¬
ten noch die Arzenei ins Haus, die er ſelbſt ver¬
fertigte, und das wenige was ihm uͤbrig oder
nicht uͤbrig blieb, darauf verwandte. Weil
er ſich nun dadurch gleichſam weggeworfen hat¬
te, ſo hatten die Leute aus der großen und vor¬
nehmen Welt kein Zutrauen zu ihm; niemand
zog ihn zu Rathe, und unter den meiſten war
ſogar ſein Nahme nicht einmal bekannt, ob er
ſich gleich als Arzt ſchon keine geringe Erfah¬
rung und Geſchicklichkeit erworben hatte.

Er hatte auch in dieſem Fache ſchon eigene
vortrefliche Ausarbeitungen geliefert, die aber
das Ungluͤck hatten, ſich unter der Menge zu
verlieren, und eben ſo wie ihr Verfaſſer, von
den Zeitgenoſſen nicht bemerkt zu werden. Und
waͤhrend, daß er nun ſeine uͤbrigen medizini¬
ſchen Ausarbeitungen in ſeinem Pulte verſchloſ¬
ſen hielt, mußte er die Schrift eines franzoͤſi¬
ſchen Arztes, der nach Erfurt kam, und beſſer,
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[135/0149] Korrekturen beſorgt, und Trauerſpiele abge¬ ſchrieben haͤtte. Kurz, er ließ ſich fuͤr ſeine Kuren nichts be¬ zahlen, und brachte auch dazu den armen Leu¬ ten noch die Arzenei ins Haus, die er ſelbſt ver¬ fertigte, und das wenige was ihm uͤbrig oder nicht uͤbrig blieb, darauf verwandte. Weil er ſich nun dadurch gleichſam weggeworfen hat¬ te, ſo hatten die Leute aus der großen und vor¬ nehmen Welt kein Zutrauen zu ihm; niemand zog ihn zu Rathe, und unter den meiſten war ſogar ſein Nahme nicht einmal bekannt, ob er ſich gleich als Arzt ſchon keine geringe Erfah¬ rung und Geſchicklichkeit erworben hatte. Er hatte auch in dieſem Fache ſchon eigene vortrefliche Ausarbeitungen geliefert, die aber das Ungluͤck hatten, ſich unter der Menge zu verlieren, und eben ſo wie ihr Verfaſſer, von den Zeitgenoſſen nicht bemerkt zu werden. Und waͤhrend, daß er nun ſeine uͤbrigen medizini¬ ſchen Ausarbeitungen in ſeinem Pulte verſchloſ¬ ſen hielt, mußte er die Schrift eines franzoͤſi¬ ſchen Arztes, der nach Erfurt kam, und beſſer, als der Doktor Sauer, ſich wußte bemerken zu J 4

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/149>, abgerufen am 21.11.2024.