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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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welche ihn in ein lautes Hohngelächter über sich
selbst ausbrechen ließ.

In dieser Stimmung kehrte er wieder zu
dem alten Dom zurück, der nun schon eröfnet
war, und wo die Chorherren sich zur Frühmette
bei Licht versammleten. Das alte gothische Ge¬
bäude, die wenigen Lichter, der Widerschein von
den hohen Fenstern, machten auf Reisern, der
die ganze Nacht umher geirrt war, und sich hier
auf eine Bank niedersetzte, einen wunderbaren
Eindruck. Er war, wie in einer Behausung,
vor dem Regen geschützt, und doch war dies
keine Wohnung für die Lebenden. Wer vor dem
Leben selber eine Freystatt suchte, den schien dies
dunkle Gewölbe einzuladen, und wer eine Nacht,
wie Reiser die vergangene, durchlebt hatte,
konnte wohl geneigt seyn, diesem Rufe zu fol¬
gen. Reiser fühlte sich auf der Bank im Dom
in eine Art von Abgeschiedenheit und Stille ver¬
setzt, die etwas unbeschreiblich Angenehmes für
ihn hatte, die ihn auf einmal allen Sorgen und
allem Gram entrückte, und ihn das Vergangene
vergessen machte. Er hatte aus dem Lethe ge¬
trunken, und fühlte sich in das Land des Frie¬

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welche ihn in ein lautes Hohngelaͤchter uͤber ſich
ſelbſt ausbrechen ließ.

In dieſer Stimmung kehrte er wieder zu
dem alten Dom zuruͤck, der nun ſchon eroͤfnet
war, und wo die Chorherren ſich zur Fruͤhmette
bei Licht verſammleten. Das alte gothiſche Ge¬
baͤude, die wenigen Lichter, der Widerſchein von
den hohen Fenſtern, machten auf Reiſern, der
die ganze Nacht umher geirrt war, und ſich hier
auf eine Bank niederſetzte, einen wunderbaren
Eindruck. Er war, wie in einer Behauſung,
vor dem Regen geſchuͤtzt, und doch war dies
keine Wohnung fuͤr die Lebenden. Wer vor dem
Leben ſelber eine Freyſtatt ſuchte, den ſchien dies
dunkle Gewoͤlbe einzuladen, und wer eine Nacht,
wie Reiſer die vergangene, durchlebt hatte,
konnte wohl geneigt ſeyn, dieſem Rufe zu fol¬
gen. Reiſer fuͤhlte ſich auf der Bank im Dom
in eine Art von Abgeſchiedenheit und Stille ver¬
ſetzt, die etwas unbeſchreiblich Angenehmes fuͤr
ihn hatte, die ihn auf einmal allen Sorgen und
allem Gram entruͤckte, und ihn das Vergangene
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trunken, und fuͤhlte ſich in das Land des Frie¬

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[167/0181] welche ihn in ein lautes Hohngelaͤchter uͤber ſich ſelbſt ausbrechen ließ. In dieſer Stimmung kehrte er wieder zu dem alten Dom zuruͤck, der nun ſchon eroͤfnet war, und wo die Chorherren ſich zur Fruͤhmette bei Licht verſammleten. Das alte gothiſche Ge¬ baͤude, die wenigen Lichter, der Widerſchein von den hohen Fenſtern, machten auf Reiſern, der die ganze Nacht umher geirrt war, und ſich hier auf eine Bank niederſetzte, einen wunderbaren Eindruck. Er war, wie in einer Behauſung, vor dem Regen geſchuͤtzt, und doch war dies keine Wohnung fuͤr die Lebenden. Wer vor dem Leben ſelber eine Freyſtatt ſuchte, den ſchien dies dunkle Gewoͤlbe einzuladen, und wer eine Nacht, wie Reiſer die vergangene, durchlebt hatte, konnte wohl geneigt ſeyn, dieſem Rufe zu fol¬ gen. Reiſer fuͤhlte ſich auf der Bank im Dom in eine Art von Abgeſchiedenheit und Stille ver¬ ſetzt, die etwas unbeſchreiblich Angenehmes fuͤr ihn hatte, die ihn auf einmal allen Sorgen und allem Gram entruͤckte, und ihn das Vergangene vergeſſen machte. Er hatte aus dem Lethe ge¬ trunken, und fuͤhlte ſich in das Land des Frie¬ L 4

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/181>, abgerufen am 21.11.2024.