Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.Klavigo, der ihm so viel Thränen gekostet Nun gesellte sich hierzu die Dichtkunst; so Mitten in einem solchen lyrischen Schwunge Klavigo, der ihm ſo viel Thraͤnen gekoſtet Nun geſellte ſich hierzu die Dichtkunſt; ſo Mitten in einem ſolchen lyriſchen Schwunge <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0029" n="15"/> <p>Klavigo, der ihm ſo viel Thraͤnen gekoſtet<lb/> hatte, war ihm nun zu kalt, und Beaumar¬<lb/> chais trat an ſeine Stelle. — Dann kamen<lb/> Hamlet, Lear, Othello, an die Reihe, die<lb/> damals noch auf keiner deutſchen Buͤhne vorge¬<lb/> ſtellt wurden, und die er ſeinem Philipp Reiſer<lb/> ganz allein in ſchauervollen Naͤchten vorgele¬<lb/> ſen, und alle dieſe Rollen ſelbſt durchgeſpielt,<lb/> ſelbſt durchempfunden hatte.</p><lb/> <p>Nun geſellte ſich hierzu die Dichtkunſt; ſo<lb/> ſanft und melodiſch floß ſein Vers dahin, und<lb/> ſo beſcheiden und doch voll edlen Stolzes war<lb/> ſeine Muſe, daß ſie die Zuneigung aller Herzen<lb/> ihm ſicher gewinnen mußte. — Er wußte zwar<lb/> noch nicht eigentlich, was dieß nun fuͤr ein Ge¬<lb/> dicht ſeyn ſollte, aber im Ganzen war es das<lb/> ſchoͤnſte und harmoniſchſte, was er ſich denken<lb/> konnte, weil es getreuer Abdruck ſeiner vollen<lb/> Empfindung war.</p><lb/> <p>Mitten in einem ſolchen lyriſchen Schwunge<lb/> ſeiner Gedanken war es, als er dicht bei See¬<lb/> ſen, einen Fußpfad ging, der ihn von der Straße<lb/> ab, uͤber eine Wieſe fuͤhrte, wo gerade ein Schei¬<lb/> benſchießen war, das allen ſeinen ſchimmernden<lb/></p> </body> </text> </TEI> [15/0029]
Klavigo, der ihm ſo viel Thraͤnen gekoſtet
hatte, war ihm nun zu kalt, und Beaumar¬
chais trat an ſeine Stelle. — Dann kamen
Hamlet, Lear, Othello, an die Reihe, die
damals noch auf keiner deutſchen Buͤhne vorge¬
ſtellt wurden, und die er ſeinem Philipp Reiſer
ganz allein in ſchauervollen Naͤchten vorgele¬
ſen, und alle dieſe Rollen ſelbſt durchgeſpielt,
ſelbſt durchempfunden hatte.
Nun geſellte ſich hierzu die Dichtkunſt; ſo
ſanft und melodiſch floß ſein Vers dahin, und
ſo beſcheiden und doch voll edlen Stolzes war
ſeine Muſe, daß ſie die Zuneigung aller Herzen
ihm ſicher gewinnen mußte. — Er wußte zwar
noch nicht eigentlich, was dieß nun fuͤr ein Ge¬
dicht ſeyn ſollte, aber im Ganzen war es das
ſchoͤnſte und harmoniſchſte, was er ſich denken
konnte, weil es getreuer Abdruck ſeiner vollen
Empfindung war.
Mitten in einem ſolchen lyriſchen Schwunge
ſeiner Gedanken war es, als er dicht bei See¬
ſen, einen Fußpfad ging, der ihn von der Straße
ab, uͤber eine Wieſe fuͤhrte, wo gerade ein Schei¬
benſchießen war, das allen ſeinen ſchimmernden
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