Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

Aussichten in die Zukunft beinahe ein plötzliches
Ende gemacht hätte: denn eine Flintenkugel
saußte ihm dicht vor dem Kopfe vorbei, wäh¬
rend daß alles ihm zuschrie, er solle von dort
weggehen -- er eilte schnell durch Seesen durch,
und wanderte ruhig weiter, bis er in einem klei¬
nen Dorfe wieder übernachtete.

Am zweiten Tage seiner Wanderung kam
nun Reiser über einen Theil des Harzgebürges,
und es war noch früh am Tage, als er zur
Rechten an der Heerstraße, die Mauren einer
zerstörten Burg auf einer Anhöhe liegen sah;
er konnte sich nicht enthalten hier hinauf zu
steigen, und als er oben war, verzehrte er sein
Stück schwarzes Brodt, das er sich zum Früh¬
stücke mitgenommen, in den Ruinen dieses
alten Rittersitzes, und sah dabei auf die Heer¬
straße durch den Wald hinunter. --

Daß er nun als ein Wanderer in diesem al¬
ten zerstörten Gemäuer wieder sein Morgenbrodt
verzehrte, und an die Zeiten dachte, wo hier
noch Menschen wohnten, die auch auf diese Heer¬
straße durch den Wald hinunter sahen -- dieß
machte ihm einen der glücklichsten Momente --

es

Ausſichten in die Zukunft beinahe ein ploͤtzliches
Ende gemacht haͤtte: denn eine Flintenkugel
ſaußte ihm dicht vor dem Kopfe vorbei, waͤh¬
rend daß alles ihm zuſchrie, er ſolle von dort
weggehen — er eilte ſchnell durch Seeſen durch,
und wanderte ruhig weiter, bis er in einem klei¬
nen Dorfe wieder uͤbernachtete.

Am zweiten Tage ſeiner Wanderung kam
nun Reiſer uͤber einen Theil des Harzgebuͤrges,
und es war noch fruͤh am Tage, als er zur
Rechten an der Heerſtraße, die Mauren einer
zerſtoͤrten Burg auf einer Anhoͤhe liegen ſah;
er konnte ſich nicht enthalten hier hinauf zu
ſteigen, und als er oben war, verzehrte er ſein
Stuͤck ſchwarzes Brodt, das er ſich zum Fruͤh¬
ſtuͤcke mitgenommen, in den Ruinen dieſes
alten Ritterſitzes, und ſah dabei auf die Heer¬
ſtraße durch den Wald hinunter. —

Daß er nun als ein Wanderer in dieſem al¬
ten zerſtoͤrten Gemaͤuer wieder ſein Morgenbrodt
verzehrte, und an die Zeiten dachte, wo hier
noch Menſchen wohnten, die auch auf dieſe Heer¬
ſtraße durch den Wald hinunter ſahen — dieß
machte ihm einen der gluͤcklichſten Momente —

es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0030" n="16"/>
Aus&#x017F;ichten in die Zukunft beinahe ein plo&#x0364;tzliches<lb/>
Ende gemacht ha&#x0364;tte: denn eine Flintenkugel<lb/>
&#x017F;außte ihm dicht vor dem Kopfe vorbei, wa&#x0364;<lb/>
rend daß alles ihm zu&#x017F;chrie, er &#x017F;olle von dort<lb/>
weggehen &#x2014; er eilte &#x017F;chnell durch See&#x017F;en durch,<lb/>
und wanderte ruhig weiter, bis er in einem klei¬<lb/>
nen Dorfe wieder u&#x0364;bernachtete.</p><lb/>
      <p>Am zweiten Tage &#x017F;einer Wanderung kam<lb/>
nun Rei&#x017F;er u&#x0364;ber einen Theil des Harzgebu&#x0364;rges,<lb/>
und es war noch fru&#x0364;h am Tage, als er zur<lb/>
Rechten an der Heer&#x017F;traße, die Mauren einer<lb/>
zer&#x017F;to&#x0364;rten Burg auf einer Anho&#x0364;he liegen &#x017F;ah;<lb/>
er konnte &#x017F;ich nicht enthalten hier hinauf zu<lb/>
&#x017F;teigen, und als er oben war, verzehrte er &#x017F;ein<lb/>
Stu&#x0364;ck &#x017F;chwarzes Brodt, das er &#x017F;ich zum Fru&#x0364;<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;cke mitgenommen, in den Ruinen die&#x017F;es<lb/>
alten Ritter&#x017F;itzes, und &#x017F;ah dabei auf die Heer¬<lb/>
&#x017F;traße durch den Wald hinunter. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Daß er nun als ein Wanderer in die&#x017F;em al¬<lb/>
ten zer&#x017F;to&#x0364;rten Gema&#x0364;uer wieder &#x017F;ein Morgenbrodt<lb/>
verzehrte, und an die Zeiten dachte, wo hier<lb/>
noch Men&#x017F;chen wohnten, die auch auf die&#x017F;e Heer¬<lb/>
&#x017F;traße durch den Wald hinunter &#x017F;ahen &#x2014; dieß<lb/>
machte ihm einen der glu&#x0364;cklich&#x017F;ten Momente &#x2014;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">es<lb/></fw>
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0030] Ausſichten in die Zukunft beinahe ein ploͤtzliches Ende gemacht haͤtte: denn eine Flintenkugel ſaußte ihm dicht vor dem Kopfe vorbei, waͤh¬ rend daß alles ihm zuſchrie, er ſolle von dort weggehen — er eilte ſchnell durch Seeſen durch, und wanderte ruhig weiter, bis er in einem klei¬ nen Dorfe wieder uͤbernachtete. Am zweiten Tage ſeiner Wanderung kam nun Reiſer uͤber einen Theil des Harzgebuͤrges, und es war noch fruͤh am Tage, als er zur Rechten an der Heerſtraße, die Mauren einer zerſtoͤrten Burg auf einer Anhoͤhe liegen ſah; er konnte ſich nicht enthalten hier hinauf zu ſteigen, und als er oben war, verzehrte er ſein Stuͤck ſchwarzes Brodt, das er ſich zum Fruͤh¬ ſtuͤcke mitgenommen, in den Ruinen dieſes alten Ritterſitzes, und ſah dabei auf die Heer¬ ſtraße durch den Wald hinunter. — Daß er nun als ein Wanderer in dieſem al¬ ten zerſtoͤrten Gemaͤuer wieder ſein Morgenbrodt verzehrte, und an die Zeiten dachte, wo hier noch Menſchen wohnten, die auch auf dieſe Heer¬ ſtraße durch den Wald hinunter ſahen — dieß machte ihm einen der gluͤcklichſten Momente — es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/30
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/30>, abgerufen am 21.11.2024.