ten nach Rom, ins gelobte Land, an den Kai- serlichen Hof, auf den Reichstag, auf die Für- sten-Convente; besuchten und beschmausten sich unter einander, wozu Leid und Freud, Lei- chen-Begängnisse so gut als Hochzeiten, die öftere Gelegenheit geben mussten; trunken sich immer mit ihren Junkern herum; und, wann sie ihren Gast aufgezehrt und ihr mitgebrachtes Geld alle war, zogen sie wieder heim. Lud- wigs XIV. glänzender Hof gab den Sitten und dem Ton seiner Zeit eine andere Stimmung: Man fieng an, die junge Prinzen nach Frankreich zu schicken, um Mores zu lernen; diese brach- ten sie dann zurück, und noch mehr dazu, Lie- be zur Verschwendung, zum Prahlen. Jeder wollte ein Ludwig XIV. en mignature seyn; indessen giengs, so klein oder gross es jeder vermochte. Der Adel, den die Reise-Sucht nach Frankreich auch angesteckt hatte, befand sich in seiner Meinung wohl dabey, und halfe treulich dazu, aus seinen gnädigen Fürsten und Herrn einen Souverain zu machen; es truge damals noch was ein: Der Fürst musste im Klei- nen alle die Hof-Aemter haben, wies ein grosses Vorbild, und sie wurden, wie billig, wohl ge- nährt und gut bezahlt. Ludwig XIV. machte
ten nach Rom, ins gelobte Land, an den Kai- serlichen Hof, auf den Reichstag, auf die Für- sten-Convente; besuchten und beschmausten sich unter einander, wozu Leid und Freud, Lei- chen-Begängniſse so gut als Hochzeiten, die öftere Gelegenheit geben muſsten; trunken sich immer mit ihren Junkern herum; und, wann sie ihren Gast aufgezehrt und ihr mitgebrachtes Geld alle war, zogen sie wieder heim. Lud- wigs XIV. glänzender Hof gab den Sitten und dem Ton seiner Zeit eine andere Stimmung: Man fieng an, die junge Prinzen nach Frankreich zu schicken, um Mores zu lernen; diese brach- ten sie dann zurück, und noch mehr dazu, Lie- be zur Verschwendung, zum Prahlen. Jeder wollte ein Ludwig XIV. en mignature seyn; indessen giengs, so klein oder groſs es jeder vermochte. Der Adel, den die Reise-Sucht nach Frankreich auch angesteckt hatte, befand sich in seiner Meinung wohl dabey, und halfe treulich dazu, aus seinen gnädigen Fürsten und Herrn einen Souverain zu machen; es truge damals noch was ein: Der Fürst muſste im Klei- nen alle die Hof-Aemter haben, wies ein groſses Vorbild, und sie wurden, wie billig, wohl ge- nährt und gut bezahlt. Ludwig XIV. machte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0107"n="101"/>
ten nach Rom, ins gelobte Land, an den Kai-<lb/>
serlichen Hof, auf den Reichstag, auf die Für-<lb/>
sten-Convente; besuchten und beschmausten<lb/>
sich unter einander, wozu Leid und Freud, Lei-<lb/>
chen-Begängniſse so gut als Hochzeiten, die<lb/>
öftere Gelegenheit geben muſsten; trunken sich<lb/>
immer mit ihren Junkern herum; und, wann<lb/>
sie ihren Gast aufgezehrt und ihr mitgebrachtes<lb/>
Geld alle war, zogen sie wieder heim. Lud-<lb/>
wigs XIV. glänzender Hof gab den Sitten und<lb/>
dem Ton seiner Zeit eine andere Stimmung:<lb/>
Man fieng an, die junge Prinzen nach Frankreich<lb/>
zu schicken, um Mores zu lernen; diese brach-<lb/>
ten sie dann zurück, und noch mehr dazu, Lie-<lb/>
be zur Verschwendung, zum Prahlen. Jeder<lb/>
wollte ein Ludwig XIV. <hirendition="#i">en mignature</hi> seyn;<lb/>
indessen giengs, so klein oder groſs es jeder<lb/>
vermochte. Der Adel, den die Reise-Sucht<lb/>
nach Frankreich auch angesteckt hatte, befand<lb/>
sich in seiner Meinung wohl dabey, und halfe<lb/>
treulich dazu, aus seinen gnädigen Fürsten und<lb/>
Herrn einen <hirendition="#i"><hirendition="#g">Souverain</hi></hi> zu machen; es truge<lb/>
damals noch was ein: Der Fürst muſste im Klei-<lb/>
nen alle die Hof-Aemter haben, wies ein groſses<lb/>
Vorbild, und sie wurden, wie billig, wohl ge-<lb/>
nährt und gut bezahlt. Ludwig XIV. machte<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[101/0107]
ten nach Rom, ins gelobte Land, an den Kai-
serlichen Hof, auf den Reichstag, auf die Für-
sten-Convente; besuchten und beschmausten
sich unter einander, wozu Leid und Freud, Lei-
chen-Begängniſse so gut als Hochzeiten, die
öftere Gelegenheit geben muſsten; trunken sich
immer mit ihren Junkern herum; und, wann
sie ihren Gast aufgezehrt und ihr mitgebrachtes
Geld alle war, zogen sie wieder heim. Lud-
wigs XIV. glänzender Hof gab den Sitten und
dem Ton seiner Zeit eine andere Stimmung:
Man fieng an, die junge Prinzen nach Frankreich
zu schicken, um Mores zu lernen; diese brach-
ten sie dann zurück, und noch mehr dazu, Lie-
be zur Verschwendung, zum Prahlen. Jeder
wollte ein Ludwig XIV. en mignature seyn;
indessen giengs, so klein oder groſs es jeder
vermochte. Der Adel, den die Reise-Sucht
nach Frankreich auch angesteckt hatte, befand
sich in seiner Meinung wohl dabey, und halfe
treulich dazu, aus seinen gnädigen Fürsten und
Herrn einen Souverain zu machen; es truge
damals noch was ein: Der Fürst muſste im Klei-
nen alle die Hof-Aemter haben, wies ein groſses
Vorbild, und sie wurden, wie billig, wohl ge-
nährt und gut bezahlt. Ludwig XIV. machte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/107>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.