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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

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die Herrn nicht, ihre Canzleyen in Selbst-Per-
son zu besuchen; der Canzler war in ihren
Rang-Ordnungen noch immer der erste Mann an
Hof; die Generals folgten erst auf die würkli-
che Geheime Räthe, die Obristen nach den
Hofräthen u. s. w. *), und das Militair trug
vom Feldmarschal an bis zum Fähndrich, so
gut wie der Hofmann und Bürger, Allonge-
Perrücken.

Diss hat sich seit der Regierung der gewalti-
gen Despoten, Friedrich Wilhelms I. Königs
in Preussen und seines noch grössern Nachfol-
gers, Friedrichs II. so vollständig geändert,
dass man Grund und Boden von Alt-Deutsch-
land in seiner Urverfassung und Regierungs-
Art meistens nur noch aus Tradition, und aus
Büchern kennt. Der Soldaten-Geist ist von
Berlin aus in alle Deutsche Lande ausgegan-
gen und hat sich, wo und so viel er konnte,
aller Köpfe und Cabinete bemächtigt. Seit die-
ser Epoque ist der Soldaten-Stand der eigent-
liche Stand der Ehre; seit dieser Zeit halten

*) Man sehe hievon die viele Rangordnungen dieser Zeit
von den Chur- und Fürstlich-Sächsischen Häusern, von
Würtemberg, Braunschweig etc. in dem I. Band mei-
nes Deutschen Hofrechts.

die Herrn nicht, ihre Canzleyen in Selbst-Per-
son zu besuchen; der Canzler war in ihren
Rang-Ordnungen noch immer der erste Mann an
Hof; die Generals folgten erst auf die würkli-
che Geheime Räthe, die Obristen nach den
Hofräthen u. s. w. *), und das Militair trug
vom Feldmarschal an bis zum Fähndrich, so
gut wie der Hofmann und Bürger, Allonge-
Perrücken.

Diſs hat sich seit der Regierung der gewalti-
gen Despoten, Friedrich Wilhelms I. Königs
in Preussen und seines noch gröſsern Nachfol-
gers, Friedrichs II. so vollständig geändert,
daſs man Grund und Boden von Alt-Deutsch-
land in seiner Urverfassung und Regierungs-
Art meistens nur noch aus Tradition, und aus
Büchern kennt. Der Soldaten-Geist ist von
Berlin aus in alle Deutsche Lande ausgegan-
gen und hat sich, wo und so viel er konnte,
aller Köpfe und Cabinete bemächtigt. Seit die-
ser Epoque ist der Soldaten-Stand der eigent-
liche Stand der Ehre; seit dieser Zeit halten

*) Man sehe hievon die viele Rangordnungen dieser Zeit
von den Chur- und Fürstlich-Sächsischen Häusern, von
Würtemberg, Braunschweig etc. in dem I. Band mei-
nes Deutschen Hofrechts.
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[107/0113] die Herrn nicht, ihre Canzleyen in Selbst-Per- son zu besuchen; der Canzler war in ihren Rang-Ordnungen noch immer der erste Mann an Hof; die Generals folgten erst auf die würkli- che Geheime Räthe, die Obristen nach den Hofräthen u. s. w. *), und das Militair trug vom Feldmarschal an bis zum Fähndrich, so gut wie der Hofmann und Bürger, Allonge- Perrücken. Diſs hat sich seit der Regierung der gewalti- gen Despoten, Friedrich Wilhelms I. Königs in Preussen und seines noch gröſsern Nachfol- gers, Friedrichs II. so vollständig geändert, daſs man Grund und Boden von Alt-Deutsch- land in seiner Urverfassung und Regierungs- Art meistens nur noch aus Tradition, und aus Büchern kennt. Der Soldaten-Geist ist von Berlin aus in alle Deutsche Lande ausgegan- gen und hat sich, wo und so viel er konnte, aller Köpfe und Cabinete bemächtigt. Seit die- ser Epoque ist der Soldaten-Stand der eigent- liche Stand der Ehre; seit dieser Zeit halten *) Man sehe hievon die viele Rangordnungen dieser Zeit von den Chur- und Fürstlich-Sächsischen Häusern, von Würtemberg, Braunschweig etc. in dem I. Band mei- nes Deutschen Hofrechts.

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/113>, abgerufen am 29.04.2024.