Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

denszeiten von den jetzigen ungeheuren ste-
henden Heeren nichts wusste, mithin vor den
hohen und niedern Adel weniger Gelegenheit
war, in Kriegsdiensten angestellt zu werden,
sondern weil der Kriegs-Stand und Civil-
Stand
so scharf von einander abgeschnitten
waren, dass dieser leztere den Soldaten-Stand
tief unter sich und nur als ein nothwendiges
Uebel betrachtete, weit entfernt, ihn über sich
erhaben, geschweige als den eigentlichen Stand
der Ehre
zu achten. Die Fürsten, wenn sie
auch in jüngern Jahren dienten, hatten ehedem
selbst den Glauben, dass es unvereinbarlich
und eine Art von Missstand seye, noch länger
dem Kriegs-Stand sich zu wiedmen, sobald
sie zur Regierung von Land und Leuten gelang-
ten; sie beschieden sich von selbst, dass sich
ein Collegium nicht wie ein Regiment Soldaten
commandiren, und das geschwind denken und
rathen nicht wie das geschwind laden und schies-
sen befehlen lasse. Ohngeachtet sie sich alle
im Harnisch, Helm und Commando-Stab mah-
len liessen, und diese Grimasse von ihren ade-
lichen Hof- und Staats-Dienern, als Unter-
scheidungs-Zeichen ihrer Geburt und Standes,
nachgeahmt wurde, so schämten sich desswegen

denszeiten von den jetzigen ungeheuren ste-
henden Heeren nichts wuſste, mithin vor den
hohen und niedern Adel weniger Gelegenheit
war, in Kriegsdiensten angestellt zu werden,
sondern weil der Kriegs-Stand und Civil-
Stand
so scharf von einander abgeschnitten
waren, daſs dieser leztere den Soldaten-Stand
tief unter sich und nur als ein nothwendiges
Uebel betrachtete, weit entfernt, ihn über sich
erhaben, geschweige als den eigentlichen Stand
der Ehre
zu achten. Die Fürsten, wenn sie
auch in jüngern Jahren dienten, hatten ehedem
selbst den Glauben, daſs es unvereinbarlich
und eine Art von Miſsstand seye, noch länger
dem Kriegs-Stand sich zu wiedmen, sobald
sie zur Regierung von Land und Leuten gelang-
ten; sie beschieden sich von selbst, daſs sich
ein Collegium nicht wie ein Regiment Soldaten
commandiren, und das geschwind denken und
rathen nicht wie das geschwind laden und schies-
sen befehlen lasse. Ohngeachtet sie sich alle
im Harnisch, Helm und Commando-Stab mah-
len lieſsen, und diese Grimasse von ihren ade-
lichen Hof- und Staats-Dienern, als Unter-
scheidungs-Zeichen ihrer Geburt und Standes,
nachgeahmt wurde, so schämten sich deſswegen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0112" n="106"/>
denszeiten von den jetzigen ungeheuren ste-<lb/>
henden Heeren nichts wu&#x017F;ste, mithin vor den<lb/>
hohen und niedern Adel weniger Gelegenheit<lb/>
war, in Kriegsdiensten angestellt zu werden,<lb/>
sondern weil der <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Kriegs-Stand</hi></hi> und <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Civil-<lb/>
Stand</hi></hi> so scharf von einander abgeschnitten<lb/>
waren, da&#x017F;s dieser leztere den Soldaten-Stand<lb/>
tief unter sich und nur als ein nothwendiges<lb/>
Uebel betrachtete, weit entfernt, ihn über sich<lb/>
erhaben, geschweige als den eigentlichen <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Stand<lb/>
der Ehre</hi></hi> zu achten. Die Fürsten, wenn sie<lb/>
auch in jüngern Jahren dienten, hatten ehedem<lb/>
selbst den Glauben, da&#x017F;s es unvereinbarlich<lb/>
und eine Art von Mi&#x017F;sstand seye, noch länger<lb/>
dem Kriegs-Stand sich zu wiedmen, sobald<lb/>
sie zur Regierung von Land und Leuten gelang-<lb/>
ten; sie beschieden sich von selbst, da&#x017F;s sich<lb/>
ein Collegium nicht wie ein Regiment Soldaten<lb/>
commandiren, und das geschwind denken und<lb/>
rathen nicht wie das geschwind laden und schies-<lb/>
sen befehlen lasse. Ohngeachtet sie sich alle<lb/>
im Harnisch, Helm und Commando-Stab mah-<lb/>
len lie&#x017F;sen, und diese Grimasse von ihren ade-<lb/>
lichen Hof- und Staats-Dienern, als Unter-<lb/>
scheidungs-Zeichen ihrer Geburt und Standes,<lb/>
nachgeahmt wurde, so schämten sich de&#x017F;swegen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0112] denszeiten von den jetzigen ungeheuren ste- henden Heeren nichts wuſste, mithin vor den hohen und niedern Adel weniger Gelegenheit war, in Kriegsdiensten angestellt zu werden, sondern weil der Kriegs-Stand und Civil- Stand so scharf von einander abgeschnitten waren, daſs dieser leztere den Soldaten-Stand tief unter sich und nur als ein nothwendiges Uebel betrachtete, weit entfernt, ihn über sich erhaben, geschweige als den eigentlichen Stand der Ehre zu achten. Die Fürsten, wenn sie auch in jüngern Jahren dienten, hatten ehedem selbst den Glauben, daſs es unvereinbarlich und eine Art von Miſsstand seye, noch länger dem Kriegs-Stand sich zu wiedmen, sobald sie zur Regierung von Land und Leuten gelang- ten; sie beschieden sich von selbst, daſs sich ein Collegium nicht wie ein Regiment Soldaten commandiren, und das geschwind denken und rathen nicht wie das geschwind laden und schies- sen befehlen lasse. Ohngeachtet sie sich alle im Harnisch, Helm und Commando-Stab mah- len lieſsen, und diese Grimasse von ihren ade- lichen Hof- und Staats-Dienern, als Unter- scheidungs-Zeichen ihrer Geburt und Standes, nachgeahmt wurde, so schämten sich deſswegen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/112
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/112>, abgerufen am 29.04.2024.