Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

"hat das Sie angegangen? Das Land war ja
"nicht Ihnen."

Es war in der natürlichen Ordnung der Din-
ge, dass und warum zu jener an Revolutionen,
Projecten und Versuchen so fruchtbaren Zeit, ein
Staatsdiener K. Josephs so denken konnte, durfte
und, beynahe, so denken musste. Für mich
war jene Rede nicht nur neu, sondern beunru-
higend und erschütternd; es war mir nicht an-
ders, als ob ein für meinen Augen gehangener
Schleyer weggezogen würde. Ich hatte mich
bisher als einen Diener meines Fürsten, noch
weit mehr und eigentlicher aber seines Landes
gehalten, das er in der von mir bekleideten er-
sten
Stelle meiner Hirten - Treue und Sorgfalt
anvertraut hatte. Hirte war ich also, (das
wars, was mir augenblicklich auf die Seele fiele)
aber nicht Herr seiner Heerde; wenn er
demnach solche nicht nur zu scheeren, sondern
auch zu schlachten beschlossen hatte, warst
du als Hirte berechtiget, solches zu hindern?
War der Grund hinreichend, aus Unmuth den

„hat das Sie angegangen? Das Land war ja
nicht Ihnen.

Es war in der natürlichen Ordnung der Din-
ge, daſs und warum zu jener an Revolutionen,
Projecten und Versuchen so fruchtbaren Zeit, ein
Staatsdiener K. Josephs so denken konnte, durfte
und, beynahe, so denken muſste. Für mich
war jene Rede nicht nur neu, sondern beunru-
higend und erschütternd; es war mir nicht an-
ders, als ob ein für meinen Augen gehangener
Schleyer weggezogen würde. Ich hatte mich
bisher als einen Diener meines Fürsten, noch
weit mehr und eigentlicher aber seines Landes
gehalten, das er in der von mir bekleideten er-
sten
Stelle meiner Hirten - Treue und Sorgfalt
anvertraut hatte. Hirte war ich also, (das
wars, was mir augenblicklich auf die Seele fiele)
aber nicht Herr seiner Heerde; wenn er
demnach solche nicht nur zu scheeren, sondern
auch zu schlachten beschlossen hatte, warst
du als Hirte berechtiget, solches zu hindern?
War der Grund hinreichend, aus Unmuth den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0012" n="VI"/>
&#x201E;hat das Sie angegangen? <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Das Land war ja</hi></hi><lb/>
&#x201E;<hi rendition="#i"><hi rendition="#g">nicht Ihnen</hi>.</hi>&#x201E;</p><lb/>
          <p>Es war in der natürlichen Ordnung der Din-<lb/>
ge, da&#x017F;s und warum zu jener an Revolutionen,<lb/>
Projecten und Versuchen so fruchtbaren Zeit, ein<lb/>
Staatsdiener K. Josephs so denken konnte, durfte<lb/>
und, beynahe, so denken mu&#x017F;ste. Für mich<lb/>
war jene Rede nicht nur neu, sondern beunru-<lb/>
higend und erschütternd; es war mir nicht an-<lb/>
ders, als ob ein für meinen Augen gehangener<lb/>
Schleyer weggezogen würde. Ich hatte mich<lb/>
bisher als einen Diener meines Fürsten, noch<lb/>
weit mehr und eigentlicher aber seines Landes<lb/>
gehalten, das er in der von mir bekleideten <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">er-<lb/>
sten</hi></hi> Stelle meiner Hirten - Treue und Sorgfalt<lb/>
anvertraut hatte. <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Hirte</hi></hi> war ich also, (das<lb/>
wars, was mir augenblicklich auf die Seele fiele)<lb/>
aber nicht <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Herr seiner Heerde</hi>;</hi> wenn er<lb/>
demnach solche nicht nur zu <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">scheeren</hi>,</hi> sondern<lb/>
auch zu <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">schlachten</hi></hi> beschlossen hatte, warst<lb/>
du als Hirte <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">berechtiget</hi>,</hi> solches zu hindern?<lb/>
War der Grund hinreichend, aus Unmuth den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[VI/0012] „hat das Sie angegangen? Das Land war ja „nicht Ihnen.„ Es war in der natürlichen Ordnung der Din- ge, daſs und warum zu jener an Revolutionen, Projecten und Versuchen so fruchtbaren Zeit, ein Staatsdiener K. Josephs so denken konnte, durfte und, beynahe, so denken muſste. Für mich war jene Rede nicht nur neu, sondern beunru- higend und erschütternd; es war mir nicht an- ders, als ob ein für meinen Augen gehangener Schleyer weggezogen würde. Ich hatte mich bisher als einen Diener meines Fürsten, noch weit mehr und eigentlicher aber seines Landes gehalten, das er in der von mir bekleideten er- sten Stelle meiner Hirten - Treue und Sorgfalt anvertraut hatte. Hirte war ich also, (das wars, was mir augenblicklich auf die Seele fiele) aber nicht Herr seiner Heerde; wenn er demnach solche nicht nur zu scheeren, sondern auch zu schlachten beschlossen hatte, warst du als Hirte berechtiget, solches zu hindern? War der Grund hinreichend, aus Unmuth den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/12
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/12>, abgerufen am 03.12.2024.