Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

Hirten-Stab gar wegzuwerfen und dadurch den
Miethlingen und selbst den Wölfen gutes Spiel
zu machen? und was der sich auf einander zu-
drängenden Gedanken mehrere waren.

In allen meinen verschiedenen und langjähri-
gen Diensten hatte ich die Stimme meines Ge-
wissens zur ersten Regel meines Dienstle-
bens gemacht, und dieser Ueberzeugung öftere,
reine und wichtige Opfer gebracht. Der Ge-
horsam gegen die Befehle und Anforderungen
meines Herrn ware erst die zweyte und jener
Regel subordinirte Pflicht; der keine Vorstellun-
gen, Widerspruch und Widerstand gestatten-
de sogenannte blinde Gehorsam aber ware
in meinen Augen vollends ein die Würde eines
vernünftigen und freyen Menschen erniedrigen-
des, ja schändendes, Ungeheuer.

Nun erwachten erst in mir viele Fragen und
Zweifel, von den wahren Gränz-Linien zwi-
schen Gewissen und Gehorsam; die Fragen
von engem und weitem, von zartem und ver-
härtetem, von wachendem oder schlummerndem

Hirten-Stab gar wegzuwerfen und dadurch den
Miethlingen und selbst den Wölfen gutes Spiel
zu machen? und was der sich auf einander zu-
drängenden Gedanken mehrere waren.

In allen meinen verschiedenen und langjähri-
gen Diensten hatte ich die Stimme meines Ge-
wissens zur ersten Regel meines Dienſtle-
bens gemacht, und dieser Ueberzeugung öftere,
reine und wichtige Opfer gebracht. Der Ge-
horsam gegen die Befehle und Anforderungen
meines Herrn ware erst die zweyte und jener
Regel subordinirte Pflicht; der keine Vorstellun-
gen, Widerspruch und Widerstand gestatten-
de sogenannte blinde Gehorsam aber ware
in meinen Augen vollends ein die Würde eines
vernünftigen und freyen Menschen erniedrigen-
des, ja schändendes, Ungeheuer.

Nun erwachten erst in mir viele Fragen und
Zweifel, von den wahren Gränz-Linien zwi-
schen Gewissen und Gehorsam; die Fragen
von engem und weitem, von zartem und ver-
härtetem, von wachendem oder schlummerndem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0013" n="VII"/>
Hirten-Stab gar wegzuwerfen und dadurch den<lb/>
Miethlingen und selbst den Wölfen gutes Spiel<lb/>
zu machen? und was der sich auf einander zu-<lb/>
drängenden Gedanken mehrere waren.</p><lb/>
          <p>In allen meinen verschiedenen und langjähri-<lb/>
gen Diensten hatte ich die Stimme meines Ge-<lb/>
wissens zur <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">ersten</hi></hi> Regel meines Dien&#x017F;tle-<lb/>
bens gemacht, und dieser Ueberzeugung öftere,<lb/>
reine und wichtige Opfer gebracht. Der Ge-<lb/>
horsam gegen die Befehle und Anforderungen<lb/>
meines Herrn ware erst die zweyte und jener<lb/>
Regel subordinirte Pflicht; der keine Vorstellun-<lb/>
gen, Widerspruch und Widerstand gestatten-<lb/>
de sogenannte <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">blinde Gehorsam</hi></hi> aber ware<lb/>
in meinen Augen vollends ein die Würde eines<lb/>
vernünftigen und freyen Menschen erniedrigen-<lb/>
des, ja schändendes, Ungeheuer.</p><lb/>
          <p>Nun erwachten erst in mir viele Fragen und<lb/>
Zweifel, von den wahren Gränz-Linien zwi-<lb/>
schen Gewissen und Gehorsam; die Fragen<lb/>
von engem und weitem, von zartem und ver-<lb/>
härtetem, von wachendem oder schlummerndem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[VII/0013] Hirten-Stab gar wegzuwerfen und dadurch den Miethlingen und selbst den Wölfen gutes Spiel zu machen? und was der sich auf einander zu- drängenden Gedanken mehrere waren. In allen meinen verschiedenen und langjähri- gen Diensten hatte ich die Stimme meines Ge- wissens zur ersten Regel meines Dienſtle- bens gemacht, und dieser Ueberzeugung öftere, reine und wichtige Opfer gebracht. Der Ge- horsam gegen die Befehle und Anforderungen meines Herrn ware erst die zweyte und jener Regel subordinirte Pflicht; der keine Vorstellun- gen, Widerspruch und Widerstand gestatten- de sogenannte blinde Gehorsam aber ware in meinen Augen vollends ein die Würde eines vernünftigen und freyen Menschen erniedrigen- des, ja schändendes, Ungeheuer. Nun erwachten erst in mir viele Fragen und Zweifel, von den wahren Gränz-Linien zwi- schen Gewissen und Gehorsam; die Fragen von engem und weitem, von zartem und ver- härtetem, von wachendem oder schlummerndem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/13
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/13>, abgerufen am 03.12.2024.