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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

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rig und zu Antretung ihrer Landes-Regierung
fähig gehalten werden; und noch ärgerlicher
und folgevoller ist, wenn der Abgang dieser
Volljährigkeit, nach der Rechnung der gemei-
nen Rechte im 21. und 25. Jahr, mittelst Er-
theilung der sobenannten Veniae aetatis, fürs
Geld aus der Reichs-Canzley verkauft, und
ein Zeugniss von angebohrnen und durch eine
stattliche Erziehung frühzeitig reifgewordenen
fürstlichen Tugenden zusammengelogen wird,
wovon sich leider! in der That selbst nur all-
zuoft das gerade Gegentheil befindet, und aus
dieser Venia aetatis erst eine Venia peccan-
di
,
eine um so zügellosere Freyheit, Jugend-
Streiche zu begehen, gemacht wird. Alles
Raisonniren über ein nun mehrere Jahrhundert
bestehendes Reichs-Gesetz ist freylich verge-
bens; vor dem Richterstuhl der Vernunft läfst
sichs aber schwer begreifen, wie ein Jüngling
von sechszehn Jahren den Verstand, Land und
Leute zu regieren, haben könne; und eher liess
sich noch glauben, dass ein König in Frankreich
durch blosse Berührung Kröpfe curiren, als
dass ein Kaiser durch ein blosses Machtwort
Regierungs-Weisheit inoculiren könne.

rig und zu Antretung ihrer Landes-Regierung
fähig gehalten werden; und noch ärgerlicher
und folgevoller ist, wenn der Abgang dieser
Volljährigkeit, nach der Rechnung der gemei-
nen Rechte im 21. und 25. Jahr, mittelst Er-
theilung der sobenannten Veniæ ætatis, fürs
Geld aus der Reichs-Canzley verkauft, und
ein Zeugniſs von angebohrnen und durch eine
stattliche Erziehung frühzeitig reifgewordenen
fürstlichen Tugenden zusammengelogen wird,
wovon sich leider! in der That selbst nur all-
zuoft das gerade Gegentheil befindet, und aus
dieser Venia ætatis erst eine Venia peccan-
di
,
eine um so zügellosere Freyheit, Jugend-
Streiche zu begehen, gemacht wird. Alles
Raisonniren über ein nun mehrere Jahrhundert
bestehendes Reichs-Gesetz ist freylich verge-
bens; vor dem Richterstuhl der Vernunft läfst
sichs aber schwer begreifen, wie ein Jüngling
von sechszehn Jahren den Verstand, Land und
Leute zu regieren, haben könne; und eher lieſs
sich noch glauben, daſs ein König in Frankreich
durch bloſse Berührung Kröpfe curiren, als
daſs ein Kaiser durch ein bloſses Machtwort
Regierungs-Weisheit inoculiren könne.

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[122/0128] rig und zu Antretung ihrer Landes-Regierung fähig gehalten werden; und noch ärgerlicher und folgevoller ist, wenn der Abgang dieser Volljährigkeit, nach der Rechnung der gemei- nen Rechte im 21. und 25. Jahr, mittelst Er- theilung der sobenannten Veniæ ætatis, fürs Geld aus der Reichs-Canzley verkauft, und ein Zeugniſs von angebohrnen und durch eine stattliche Erziehung frühzeitig reifgewordenen fürstlichen Tugenden zusammengelogen wird, wovon sich leider! in der That selbst nur all- zuoft das gerade Gegentheil befindet, und aus dieser Venia ætatis erst eine Venia peccan- di, eine um so zügellosere Freyheit, Jugend- Streiche zu begehen, gemacht wird. Alles Raisonniren über ein nun mehrere Jahrhundert bestehendes Reichs-Gesetz ist freylich verge- bens; vor dem Richterstuhl der Vernunft läfst sichs aber schwer begreifen, wie ein Jüngling von sechszehn Jahren den Verstand, Land und Leute zu regieren, haben könne; und eher lieſs sich noch glauben, daſs ein König in Frankreich durch bloſse Berührung Kröpfe curiren, als daſs ein Kaiser durch ein bloſses Machtwort Regierungs-Weisheit inoculiren könne.

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/128>, abgerufen am 29.04.2024.