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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

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Wenn es noch Sitte wäre, Königs- und Für-
sten-Söhne in der Geschichte ihres Hauses so
pragmatisch zu unterrichten, dass ihnen zu-
gleich Leben und Thaten ihrer Vorfahren in
ihren persönlichen Tugenden und Lastern, die
rühmliche und schädliche Seite ihrer ganzen
Regierung und Landes-Verwaltung spiegel-
mässig vor Augen gestellt, und mit herzgreifen-
den Anmerkungen begleitet würden, dann
möchte ein solcher Unterricht etwa hie und da
noch ein heilsames Antidot gegen die einen jun-
gen Fürsten umgebende Verführer und Schmeich-
ler seyn. Welcher Held von Mann müsste es
aber seyn, dem man nur einmal den Antrag
thun dürfte, eine solche Biographie zu entwer-
fen? Gewiss keinem besoldeten Historiogra-
phen, keinem kriechenden Lob-Lügner. -- Und
wer soll eine Haus-Geschichte dieser Art ver-
langen? Der bessere Sohn, der sichs zur Reli-
gion macht, die Thorheiten und Schwachheiten
seines Vaters lieber zu verbergen, als ihn ver-
meintlich noch unter der Erde zu beschimpfen?
Der schlechtere Enkel, der in der rühmlichern
Regierungs-Geschichte seines Vaters sein ei-
genes Urtheil zu lesen bekäme.

Wenn es noch Sitte wäre, Königs- und Für-
sten-Söhne in der Geschichte ihres Hauses so
pragmatisch zu unterrichten, daſs ihnen zu-
gleich Leben und Thaten ihrer Vorfahren in
ihren persönlichen Tugenden und Lastern, die
rühmliche und schädliche Seite ihrer ganzen
Regierung und Landes-Verwaltung spiegel-
mäſsig vor Augen gestellt, und mit herzgreifen-
den Anmerkungen begleitet würden, dann
möchte ein solcher Unterricht etwa hie und da
noch ein heilsames Antidot gegen die einen jun-
gen Fürsten umgebende Verführer und Schmeich-
ler seyn. Welcher Held von Mann müſste es
aber seyn, dem man nur einmal den Antrag
thun dürfte, eine solche Biographie zu entwer-
fen? Gewiſs keinem besoldeten Historiogra-
phen, keinem kriechenden Lob-Lügner. — Und
wer soll eine Haus-Geschichte dieser Art ver-
langen? Der bessere Sohn, der sichs zur Reli-
gion macht, die Thorheiten und Schwachheiten
seines Vaters lieber zu verbergen, als ihn ver-
meintlich noch unter der Erde zu beschimpfen?
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Regierungs-Geschichte seines Vaters sein ei-
genes Urtheil zu lesen bekäme.

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[123/0129] Wenn es noch Sitte wäre, Königs- und Für- sten-Söhne in der Geschichte ihres Hauses so pragmatisch zu unterrichten, daſs ihnen zu- gleich Leben und Thaten ihrer Vorfahren in ihren persönlichen Tugenden und Lastern, die rühmliche und schädliche Seite ihrer ganzen Regierung und Landes-Verwaltung spiegel- mäſsig vor Augen gestellt, und mit herzgreifen- den Anmerkungen begleitet würden, dann möchte ein solcher Unterricht etwa hie und da noch ein heilsames Antidot gegen die einen jun- gen Fürsten umgebende Verführer und Schmeich- ler seyn. Welcher Held von Mann müſste es aber seyn, dem man nur einmal den Antrag thun dürfte, eine solche Biographie zu entwer- fen? Gewiſs keinem besoldeten Historiogra- phen, keinem kriechenden Lob-Lügner. — Und wer soll eine Haus-Geschichte dieser Art ver- langen? Der bessere Sohn, der sichs zur Reli- gion macht, die Thorheiten und Schwachheiten seines Vaters lieber zu verbergen, als ihn ver- meintlich noch unter der Erde zu beschimpfen? Der schlechtere Enkel, der in der rühmlichern Regierungs-Geschichte seines Vaters sein ei- genes Urtheil zu lesen bekäme.

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/129>, abgerufen am 27.11.2024.