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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

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sen, in seinem Diener sich nicht auch einen
Freund und Vertrauten, den er ohne Gefahr des
Missbrauchs wohl sonst an seinem ganzen Hof
nicht fände, zuziehen dürfen? Die Fälle sind
rar, aber doch möglich, und ich habe selbst ei-
nen nun verstorbenen Fürsten und seinen gleich-
falls verstorbenen Cammerdiener, einen Mann
von seltener Klugheit und güldener Rechtschaf-
fenheit, gekannt, der bey seinem Herrn Beicht-
vater-Stelle vertrate, und durch ein mit be-
dächtlich abgemessener Klugheit in Reden und
Schweigen und immer gleicher Ruhe und Hei-
terkeit des Gemüths begleitetes Betragen in vier-
zigjährigem Dienst ein solches Vertrauen bey
seinem Herrn erworben hatte, das Freunde und
Feinde an ihm respectirten, das er nie zu eige-
nem Vortheil oder zum Schaden einer guten
Sache oder guter Menschen missbrauchte, wohl
aber in hundert Fällen durch wenige in präten-
sionslosester Einfalt und Unschuld gesprochene
Worte mehr Gutes würkte, mehr Uebereilun-
gen und schädliche Dinge verhütete, als Ge-
mahlin, Kinder und alle Collegien nicht ver-
mocht hätten.


sen, in seinem Diener sich nicht auch einen
Freund und Vertrauten, den er ohne Gefahr des
Miſsbrauchs wohl sonst an seinem ganzen Hof
nicht fände, zuziehen dürfen? Die Fälle sind
rar, aber doch möglich, und ich habe selbst ei-
nen nun verstorbenen Fürsten und seinen gleich-
falls verstorbenen Cammerdiener, einen Mann
von seltener Klugheit und güldener Rechtschaf-
fenheit, gekannt, der bey seinem Herrn Beicht-
vater-Stelle vertrate, und durch ein mit be-
dächtlich abgemessener Klugheit in Reden und
Schweigen und immer gleicher Ruhe und Hei-
terkeit des Gemüths begleitetes Betragen in vier-
zigjährigem Dienst ein solches Vertrauen bey
seinem Herrn erworben hatte, das Freunde und
Feinde an ihm respectirten, das er nie zu eige-
nem Vortheil oder zum Schaden einer guten
Sache oder guter Menschen miſsbrauchte, wohl
aber in hundert Fällen durch wenige in präten-
sionslosester Einfalt und Unschuld gesprochene
Worte mehr Gutes würkte, mehr Uebereilun-
gen und schädliche Dinge verhütete, als Ge-
mahlin, Kinder und alle Collegien nicht ver-
mocht hätten.


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[148/0154] sen, in seinem Diener sich nicht auch einen Freund und Vertrauten, den er ohne Gefahr des Miſsbrauchs wohl sonst an seinem ganzen Hof nicht fände, zuziehen dürfen? Die Fälle sind rar, aber doch möglich, und ich habe selbst ei- nen nun verstorbenen Fürsten und seinen gleich- falls verstorbenen Cammerdiener, einen Mann von seltener Klugheit und güldener Rechtschaf- fenheit, gekannt, der bey seinem Herrn Beicht- vater-Stelle vertrate, und durch ein mit be- dächtlich abgemessener Klugheit in Reden und Schweigen und immer gleicher Ruhe und Hei- terkeit des Gemüths begleitetes Betragen in vier- zigjährigem Dienst ein solches Vertrauen bey seinem Herrn erworben hatte, das Freunde und Feinde an ihm respectirten, das er nie zu eige- nem Vortheil oder zum Schaden einer guten Sache oder guter Menschen miſsbrauchte, wohl aber in hundert Fällen durch wenige in präten- sionslosester Einfalt und Unschuld gesprochene Worte mehr Gutes würkte, mehr Uebereilun- gen und schädliche Dinge verhütete, als Ge- mahlin, Kinder und alle Collegien nicht ver- mocht hätten.

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/154>, abgerufen am 05.05.2024.