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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

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durchgeht, wie sie durch ausschweifende Wol-
lüste auf ihren Cörper losstürmen, auf halsbre-
chenden Jagden allen Gefahren trotzen, auf
eben so gefährlichen Reisen alle Vorsichten
verspotten, und was der hunderterley ähnlichen
Fälle mehrere sind; und wenn man dabey wahr-
nimmt, dass sie gleichwohl immer fortleben,
sich immer wieder durchreissen, alt dabey wer-
den und zulezt nach tausend überwundenen
Gefahren und Excessen ihrer Lebensordnung
noch auf dem Bett sterben, oder an einem gnä-
digen Schlagfluss ersticken, so wird man ver-
sucht, von ihnen zu glauben: Dass sie sich
selbst einbilden, aus einem von andern Men-
schen unterschiedenen, eigenen und unzerstör-
lichern Stoff erschaffen zu seyn oder doch ihren
eigenen über sie besonders wachenden Schutz-
geist zu haben. Richtig und auf Erfahrung ge-
gründet ist aber die Bemerkung: Dass wenn
andre gemeine, obgleich sich selbst harte Men-
schen so auf sich loshausten, als viele Könige
und Fürsten, sie, wie man zu sagen pflegt,
zehenmal für einmal würden sterben müssen.
Ihr eigener Privat-Glauben in allen solchen
Fällen ist: Ich thue, was ich will, und leide,
was ich kann.

durchgeht, wie sie durch ausschweifende Wol-
lüste auf ihren Cörper losstürmen, auf halsbre-
chenden Jagden allen Gefahren trotzen, auf
eben so gefährlichen Reisen alle Vorsichten
verspotten, und was der hunderterley ähnlichen
Fälle mehrere sind; und wenn man dabey wahr-
nimmt, daſs sie gleichwohl immer fortleben,
sich immer wieder durchreissen, alt dabey wer-
den und zulezt nach tausend überwundenen
Gefahren und Excessen ihrer Lebensordnung
noch auf dem Bett sterben, oder an einem gnä-
digen Schlagfluſs ersticken, so wird man ver-
sucht, von ihnen zu glauben: Daſs sie sich
selbst einbilden, aus einem von andern Men-
schen unterschiedenen, eigenen und unzerstör-
lichern Stoff erschaffen zu seyn oder doch ihren
eigenen über sie besonders wachenden Schutz-
geist zu haben. Richtig und auf Erfahrung ge-
gründet ist aber die Bemerkung: Daſs wenn
andre gemeine, obgleich sich selbst harte Men-
schen so auf sich loshausten, als viele Könige
und Fürsten, sie, wie man zu sagen pflegt,
zehenmal für einmal würden sterben müssen.
Ihr eigener Privat-Glauben in allen solchen
Fällen ist: Ich thue, was ich will, und leide,
was ich kann.

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[156/0162] durchgeht, wie sie durch ausschweifende Wol- lüste auf ihren Cörper losstürmen, auf halsbre- chenden Jagden allen Gefahren trotzen, auf eben so gefährlichen Reisen alle Vorsichten verspotten, und was der hunderterley ähnlichen Fälle mehrere sind; und wenn man dabey wahr- nimmt, daſs sie gleichwohl immer fortleben, sich immer wieder durchreissen, alt dabey wer- den und zulezt nach tausend überwundenen Gefahren und Excessen ihrer Lebensordnung noch auf dem Bett sterben, oder an einem gnä- digen Schlagfluſs ersticken, so wird man ver- sucht, von ihnen zu glauben: Daſs sie sich selbst einbilden, aus einem von andern Men- schen unterschiedenen, eigenen und unzerstör- lichern Stoff erschaffen zu seyn oder doch ihren eigenen über sie besonders wachenden Schutz- geist zu haben. Richtig und auf Erfahrung ge- gründet ist aber die Bemerkung: Daſs wenn andre gemeine, obgleich sich selbst harte Men- schen so auf sich loshausten, als viele Könige und Fürsten, sie, wie man zu sagen pflegt, zehenmal für einmal würden sterben müssen. Ihr eigener Privat-Glauben in allen solchen Fällen ist: Ich thue, was ich will, und leide, was ich kann.

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/162>, abgerufen am 21.11.2024.