nach seinem alleinigen Eigenwillen zu handeln. So dachte und sprache wenigstens noch vor anderthalb hundert Jahren der eben so staats- kluge als gottseelige Herzog Ernst zu Sachsen Gotha, welcher in seinem Ao. 1654. gefertigten herrlichen Testament das Zeugniss ablegte: "Alle vorfallende Sachen sollen sie (meine Söh- ne) mit gutem, getreuem und wohlbedachtem ordentlichem Rath anfangen; vor sich selbsten, sonderlich in wichtigen Fällen, nichts temere vornehmen und gänzlich davor halten, dass grossen Herrn und Regenten keine Schande, sondern vielmehr ein Ruhm und Ehre seye, guten vernünftigen Rathschlä- gen zu folgen, und dass daher der Frey- heit gar nichts abgehe".
Der Glaube der alten Fürsten-Welt war, und der verständigen neuern ist es noch: Dass ihre Räthe, Gehülfen und Diener, nicht nur berech- tiget, sondern auch verbunden seyen, ihnen über ihr Regenten-Leben und Handlungen, mit oder ohne und gegen ihren Willen, gefordert oder ungefordert, Vorstellungen zu thun; da- her die schöne Verpflichtung in den gewöhnli- chen Eydes-Formeln: Seinem Herrn treu, hold und gewärtig zu seyn, seinen Schaden zu war-
nach seinem alleinigen Eigenwillen zu handeln. So dachte und sprache wenigstens noch vor anderthalb hundert Jahren der eben so staats- kluge als gottseelige Herzog Ernst zu Sachsen Gotha, welcher in seinem Ao. 1654. gefertigten herrlichen Testament das Zeugniſs ablegte: „Alle vorfallende Sachen sollen sie (meine Söh- ne) mit gutem, getreuem und wohlbedachtem ordentlichem Rath anfangen; vor sich selbsten, sonderlich in wichtigen Fällen, nichts temere vornehmen und gänzlich davor halten, daſs groſsen Herrn und Regenten keine Schande, sondern vielmehr ein Ruhm und Ehre seye, guten vernünftigen Rathschlä- gen zu folgen, und daſs daher der Frey- heit gar nichts abgehe„.
Der Glaube der alten Fürsten-Welt war, und der verständigen neuern ist es noch: Daſs ihre Räthe, Gehülfen und Diener, nicht nur berech- tiget, sondern auch verbunden seyen, ihnen über ihr Regenten-Leben und Handlungen, mit oder ohne und gegen ihren Willen, gefordert oder ungefordert, Vorstellungen zu thun; da- her die schöne Verpflichtung in den gewöhnli- chen Eydes-Formeln: Seinem Herrn treu, hold und gewärtig zu seyn, seinen Schaden zu war-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0217"n="211"/>
nach seinem alleinigen Eigenwillen zu handeln.<lb/>
So dachte und sprache wenigstens noch vor<lb/>
anderthalb hundert Jahren der eben so staats-<lb/>
kluge als gottseelige Herzog Ernst zu Sachsen<lb/>
Gotha, welcher in seinem Ao. 1654. gefertigten<lb/>
herrlichen Testament das Zeugniſs ablegte:<lb/>„Alle vorfallende Sachen sollen sie (meine Söh-<lb/>
ne) mit gutem, getreuem und wohlbedachtem<lb/>
ordentlichem Rath anfangen; vor sich selbsten,<lb/>
sonderlich in wichtigen Fällen, nichts <hirendition="#i"><hirendition="#g">temere</hi></hi><lb/>
vornehmen und <hirendition="#i"><hirendition="#g">gänzlich davor halten,<lb/>
daſs groſsen Herrn und Regenten keine<lb/>
Schande, sondern vielmehr ein Ruhm und<lb/>
Ehre seye, guten vernünftigen Rathschlä-<lb/>
gen zu folgen, und daſs daher der Frey-<lb/>
heit gar nichts abgehe</hi></hi>„.</p><lb/><p>Der Glaube der alten Fürsten-Welt war, und<lb/>
der verständigen neuern ist es noch: Daſs ihre<lb/>
Räthe, Gehülfen und Diener, nicht nur berech-<lb/>
tiget, sondern auch verbunden seyen, ihnen<lb/>
über ihr Regenten-Leben und Handlungen, mit<lb/>
oder ohne und gegen ihren Willen, gefordert<lb/>
oder ungefordert, Vorstellungen zu thun; da-<lb/>
her die schöne Verpflichtung in den gewöhnli-<lb/>
chen Eydes-Formeln: Seinem Herrn treu, hold<lb/>
und gewärtig zu seyn, seinen Schaden zu war-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[211/0217]
nach seinem alleinigen Eigenwillen zu handeln.
So dachte und sprache wenigstens noch vor
anderthalb hundert Jahren der eben so staats-
kluge als gottseelige Herzog Ernst zu Sachsen
Gotha, welcher in seinem Ao. 1654. gefertigten
herrlichen Testament das Zeugniſs ablegte:
„Alle vorfallende Sachen sollen sie (meine Söh-
ne) mit gutem, getreuem und wohlbedachtem
ordentlichem Rath anfangen; vor sich selbsten,
sonderlich in wichtigen Fällen, nichts temere
vornehmen und gänzlich davor halten,
daſs groſsen Herrn und Regenten keine
Schande, sondern vielmehr ein Ruhm und
Ehre seye, guten vernünftigen Rathschlä-
gen zu folgen, und daſs daher der Frey-
heit gar nichts abgehe„.
Der Glaube der alten Fürsten-Welt war, und
der verständigen neuern ist es noch: Daſs ihre
Räthe, Gehülfen und Diener, nicht nur berech-
tiget, sondern auch verbunden seyen, ihnen
über ihr Regenten-Leben und Handlungen, mit
oder ohne und gegen ihren Willen, gefordert
oder ungefordert, Vorstellungen zu thun; da-
her die schöne Verpflichtung in den gewöhnli-
chen Eydes-Formeln: Seinem Herrn treu, hold
und gewärtig zu seyn, seinen Schaden zu war-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/217>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.