Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

In christlichen Despotien, oder höflicher
gesagt Monarchien, ist dieser hänfene Strick
des Gehorsams mit Seide übersponnen, zuwei-
len gar mit Gold und Silber durchwürkt, je
nachdem der Sinn und Geist eines Volks ver-
gröberter oder verfeinerter ist; er schneidet
aber eben so tief ein, schnürt eben so fest zu,
und die berühmte Schluss-Formeln: Car tel est
notre plaisir
!
Hiedurch geschieht unser Wille
und Meinung! Diss meinen wir ernstlich und
bleiben Euch in Gnaden gewogen! und bitten
wir Gott, dass er Euch in seinen heiligen Schutz
nehme! u. dgl. sind nur die Künste und Zierra-
then, womit der Befehl behängt und dessen
Strenge versteckt wird. Wehe dem, der ihnen
eine andere Deutung beylegen wollte.

Wie sehr eine lange Regierung eines einzel-
nen Fürsten den Charakter seiner Unterthanen
stimmen oder verstimmen kann, davon hat uns
das sogenannte Jahrhundert Ludwigs XIV. in
Frankreich, die Corporals-Regierung Fr. Wilh.
I. in Preussen, die philosophisch-despotische
Friedrichs II. die Beyspiele gegeben.

Nach einem kleinern Massstab hätte die bald
funfzig jährige Regierung Herzog Carls zu Wür-
temberg, in ihren mannichfaltigen Schattierun-

In christlichen Despotien, oder höflicher
gesagt Monarchien, ist dieser hänfene Strick
des Gehorsams mit Seide übersponnen, zuwei-
len gar mit Gold und Silber durchwürkt, je
nachdem der Sinn und Geist eines Volks ver-
gröberter oder verfeinerter ist; er schneidet
aber eben so tief ein, schnürt eben so fest zu,
und die berühmte Schluſs-Formeln: Car tel est
notre plaisir
!
Hiedurch geschieht unser Wille
und Meinung! Diſs meinen wir ernstlich und
bleiben Euch in Gnaden gewogen! und bitten
wir Gott, daſs er Euch in seinen heiligen Schutz
nehme! u. dgl. sind nur die Künste und Zierra-
then, womit der Befehl behängt und dessen
Strenge versteckt wird. Wehe dem, der ihnen
eine andere Deutung beylegen wollte.

Wie sehr eine lange Regierung eines einzel-
nen Fürsten den Charakter seiner Unterthanen
stimmen oder verstimmen kann, davon hat uns
das sogenannte Jahrhundert Ludwigs XIV. in
Frankreich, die Corporals-Regierung Fr. Wilh.
I. in Preussen, die philosophisch-despotische
Friedrichs II. die Beyspiele gegeben.

Nach einem kleinern Maſsstab hätte die bald
funfzig jährige Regierung Herzog Carls zu Wür-
temberg, in ihren mannichfaltigen Schattierun-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0061" n="55"/>
          <p>In <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">christlichen Despotien</hi>,</hi> oder höflicher<lb/>
gesagt <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Monarchien</hi>,</hi> ist dieser hänfene Strick<lb/>
des Gehorsams mit Seide übersponnen, zuwei-<lb/>
len gar mit Gold und Silber durchwürkt, je<lb/>
nachdem der Sinn und Geist eines Volks ver-<lb/>
gröberter oder verfeinerter ist; er schneidet<lb/>
aber eben so tief ein, schnürt eben so fest zu,<lb/>
und die berühmte Schlu&#x017F;s-Formeln: <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Car tel est<lb/>
notre plaisir</hi>!</hi> Hiedurch geschieht unser Wille<lb/>
und Meinung! Di&#x017F;s meinen wir ernstlich und<lb/>
bleiben Euch in Gnaden gewogen! und bitten<lb/>
wir Gott, da&#x017F;s er Euch in seinen heiligen Schutz<lb/>
nehme! u. dgl. sind nur die Künste und Zierra-<lb/>
then, womit der Befehl behängt und dessen<lb/>
Strenge versteckt wird. Wehe dem, der ihnen<lb/>
eine andere Deutung beylegen wollte.</p><lb/>
          <p>Wie sehr eine lange Regierung eines einzel-<lb/>
nen Fürsten den Charakter seiner Unterthanen<lb/>
stimmen oder verstimmen kann, davon hat uns<lb/>
das sogenannte Jahrhundert Ludwigs XIV. in<lb/>
Frankreich, die Corporals-Regierung Fr. Wilh.<lb/>
I. in Preussen, die philosophisch-despotische<lb/>
Friedrichs II. die Beyspiele gegeben.</p><lb/>
          <p>Nach einem kleinern Ma&#x017F;sstab hätte die bald<lb/>
funfzig jährige Regierung Herzog Carls zu Wür-<lb/>
temberg, in ihren mannichfaltigen Schattierun-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0061] In christlichen Despotien, oder höflicher gesagt Monarchien, ist dieser hänfene Strick des Gehorsams mit Seide übersponnen, zuwei- len gar mit Gold und Silber durchwürkt, je nachdem der Sinn und Geist eines Volks ver- gröberter oder verfeinerter ist; er schneidet aber eben so tief ein, schnürt eben so fest zu, und die berühmte Schluſs-Formeln: Car tel est notre plaisir! Hiedurch geschieht unser Wille und Meinung! Diſs meinen wir ernstlich und bleiben Euch in Gnaden gewogen! und bitten wir Gott, daſs er Euch in seinen heiligen Schutz nehme! u. dgl. sind nur die Künste und Zierra- then, womit der Befehl behängt und dessen Strenge versteckt wird. Wehe dem, der ihnen eine andere Deutung beylegen wollte. Wie sehr eine lange Regierung eines einzel- nen Fürsten den Charakter seiner Unterthanen stimmen oder verstimmen kann, davon hat uns das sogenannte Jahrhundert Ludwigs XIV. in Frankreich, die Corporals-Regierung Fr. Wilh. I. in Preussen, die philosophisch-despotische Friedrichs II. die Beyspiele gegeben. Nach einem kleinern Maſsstab hätte die bald funfzig jährige Regierung Herzog Carls zu Wür- temberg, in ihren mannichfaltigen Schattierun-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/61
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/61>, abgerufen am 29.04.2024.