duen, wo von dem persönlichen Gehorsam die Frage ist, nichts nutze oder schade; hinge- gen man als ausgemacht annehmen dürfe: Dass Furcht, Liebe und Eigennutz, als die Haupt- triebfedern eines jeden, so gerechten als unge- rechten Gehorsams zu achten seyen.
Furcht ist in allen rein-despotischen Ver- fassungen die alleinige Lehrmeisterin jeder Gat- tung des Gehorsams vor jede Gattung von Menschen; die vom Gross-Wessier an bis zum Galeeren-Sclaven sich durch Strick, Knute und Säbel, Respect und Glauben zu verschaffen weiss.
Nach dem europäischen Sprachgebrauch ist zwischen: Diener, Knecht und Sclave ein wahrer und wesentlicher Unterschied; nach dem Gebrauch des Hofs zu Constantinopel und aller andern, die ihm auch hie und da in Europa gleichen, ist keiner, weil alle Diener und Unter- thanen des Gross-Sultans zugleich Sclaven sind, ein Sclave aber bekanntlich keinen eigenen Willen haben darf. Montesquieu fasst es noch kürzer zusammen: Der Mensch, sagt er, unter einem Despoten ist ein Geschöpf, das einem Geschöpf gehorchet, welches befiehlt.
duen, wo von dem persönlichen Gehorsam die Frage ist, nichts nutze oder schade; hinge- gen man als ausgemacht annehmen dürfe: Daſs Furcht, Liebe und Eigennutz, als die Haupt- triebfedern eines jeden, so gerechten als unge- rechten Gehorsams zu achten seyen.
Furcht ist in allen rein-despotischen Ver- fassungen die alleinige Lehrmeisterin jeder Gat- tung des Gehorsams vor jede Gattung von Menschen; die vom Groſs-Weſsier an bis zum Galeeren-Sclaven sich durch Strick, Knute und Säbel, Respect und Glauben zu verschaffen weiſs.
Nach dem europäischen Sprachgebrauch ist zwischen: Diener, Knecht und Sclave ein wahrer und wesentlicher Unterschied; nach dem Gebrauch des Hofs zu Constantinopel und aller andern, die ihm auch hie und da in Europa gleichen, ist keiner, weil alle Diener und Unter- thanen des Groſs-Sultans zugleich Sclaven sind, ein Sclave aber bekanntlich keinen eigenen Willen haben darf. Montesquieu faſst es noch kürzer zusammen: Der Mensch, sagt er, unter einem Despoten ist ein Geschöpf, das einem Geschöpf gehorchet, welches befiehlt.
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duen, wo von dem persönlichen Gehorsam
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gen man als ausgemacht annehmen dürfe: Daſs
Furcht, Liebe und Eigennutz, als die Haupt-
triebfedern eines jeden, so gerechten als unge-
rechten Gehorsams zu achten seyen.
Furcht ist in allen rein-despotischen Ver-
fassungen die alleinige Lehrmeisterin jeder Gat-
tung des Gehorsams vor jede Gattung von
Menschen; die vom Groſs-Weſsier an bis zum
Galeeren-Sclaven sich durch Strick, Knute und
Säbel, Respect und Glauben zu verschaffen weiſs.
Nach dem europäischen Sprachgebrauch ist
zwischen: Diener, Knecht und Sclave ein
wahrer und wesentlicher Unterschied; nach dem
Gebrauch des Hofs zu Constantinopel und aller
andern, die ihm auch hie und da in Europa
gleichen, ist keiner, weil alle Diener und Unter-
thanen des Groſs-Sultans zugleich Sclaven sind,
ein Sclave aber bekanntlich keinen eigenen
Willen haben darf. Montesquieu faſst es noch
kürzer zusammen: Der Mensch, sagt er, unter
einem Despoten ist ein Geschöpf, das einem
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/60>, abgerufen am 16.02.2025.
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