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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

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Lehre, Lobpreiser des Tods fürs Vaterland,
Dichter des Patriotismus in einem militarischen
Staat u. s. w. Je zahlreicher die bewafnete
Apostel wurden, je gewisser ward der eingeprü-
gelte Volksglaube allgemein und herrschend;
es entstund bey der heranwachsenden Nach-
kommenschaft
ein neuer Nationalgeist,
der eine seltsame Mischung von Stolz und Ar-
muth darstellte. Es entstunden früh genug gros-
se und kleine Proselyten; je häufiger und all-
gemeiner aber die Nachahmung war, je schlech-
ter und fehlerhafter wurden die Copien; je
kleiner und ohnmächtiger die Bekenner dieses
Glaubens waren, je geringer war, so zu sagen,
an Druck und Papier der Nachdruck; die
mehreste dieser kleinen Nachbeter und Nach-
drucker mussten sich gewöhnlich mit der Tole-
ranz
begnügen und sich daher gefallen lassen,
im Fall der Klagen ihrer gedrückten Untertha-
nen, von dem Richter im Reich so, wie die
Wildschützen beym Eingriff in das Jagd-Regal,
behandelt zu werden.

Diese Nachahmung eines grossen Königs,
dessen Macht und Geist man nicht hat, sondern
nur dessen Selbstgefühl und Stolz; diese ist es,
welche das Unglück so mancher Deutschen

Lehre, Lobpreiser des Tods fürs Vaterland,
Dichter des Patriotismus in einem militarischen
Staat u. s. w. Je zahlreicher die bewafnete
Apostel wurden, je gewisser ward der eingeprü-
gelte Volksglaube allgemein und herrschend;
es entstund bey der heranwachsenden Nach-
kommenschaft
ein neuer Nationalgeist,
der eine seltsame Mischung von Stolz und Ar-
muth darstellte. Es entstunden früh genug gros-
se und kleine Proselyten; je häufiger und all-
gemeiner aber die Nachahmung war, je schlech-
ter und fehlerhafter wurden die Copien; je
kleiner und ohnmächtiger die Bekenner dieses
Glaubens waren, je geringer war, so zu sagen,
an Druck und Papier der Nachdruck; die
mehreste dieser kleinen Nachbeter und Nach-
drucker muſsten sich gewöhnlich mit der Tole-
ranz
begnügen und sich daher gefallen lassen,
im Fall der Klagen ihrer gedrückten Untertha-
nen, von dem Richter im Reich so, wie die
Wildschützen beym Eingriff in das Jagd-Regal,
behandelt zu werden.

Diese Nachahmung eines groſsen Königs,
dessen Macht und Geist man nicht hat, sondern
nur dessen Selbstgefühl und Stolz; diese ist es,
welche das Unglück so mancher Deutschen

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[58/0064] Lehre, Lobpreiser des Tods fürs Vaterland, Dichter des Patriotismus in einem militarischen Staat u. s. w. Je zahlreicher die bewafnete Apostel wurden, je gewisser ward der eingeprü- gelte Volksglaube allgemein und herrschend; es entstund bey der heranwachsenden Nach- kommenschaft ein neuer Nationalgeist, der eine seltsame Mischung von Stolz und Ar- muth darstellte. Es entstunden früh genug gros- se und kleine Proselyten; je häufiger und all- gemeiner aber die Nachahmung war, je schlech- ter und fehlerhafter wurden die Copien; je kleiner und ohnmächtiger die Bekenner dieses Glaubens waren, je geringer war, so zu sagen, an Druck und Papier der Nachdruck; die mehreste dieser kleinen Nachbeter und Nach- drucker muſsten sich gewöhnlich mit der Tole- ranz begnügen und sich daher gefallen lassen, im Fall der Klagen ihrer gedrückten Untertha- nen, von dem Richter im Reich so, wie die Wildschützen beym Eingriff in das Jagd-Regal, behandelt zu werden. Diese Nachahmung eines groſsen Königs, dessen Macht und Geist man nicht hat, sondern nur dessen Selbstgefühl und Stolz; diese ist es, welche das Unglück so mancher Deutschen

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/64>, abgerufen am 29.04.2024.