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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

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eines seine Uebermacht fühlenden despotischen
Fürsten ertragen und sich, wenn's auch mur-
rend oder seufzend wäre, unter diese Gewalt
beugen, als sich durch vorheuchelnde Liebe,
wo Handlungen überall das laute Gegentheil
beweisen, zum Narren halten oder wie ein
Kind behandeln lassen *).

Am häufigsten findet man diese Waare und
Sprache in Wahl-Sprüchen, Schau-Münzen, Re-
den, Gedichten und Predigten bey Huldigun-
gen, Regierungs-Antritt, Geburts-Tägen, desto
seltener bey Leichen-Predigten, wo solche noch
gehalten werden, und am seltensten im Leben
und Thaten der Könige und Fürsten. Wenn
auch die wechselsweise Liebe zwischen einem
Herrn und Land anfänglich einer glühenden
Bräutigams-Liebe gleicht, so wird nur allzuoft
eine laue und zulezt frostige eheliche Liebe
draus, wo man des seligen Endes, wenigstens
von einer Seite, hoft; auch es wohl laut genug
wünscht, um -- von neuem betrogen zu werden.


Stolz auf den Nahmen, Würde und Rang eines
Herrn, Bewunderung und persönliche Würdi-

*) Metus et terror infirma vincula caritatis; q[u]ae ubi remo-
veris, qui timere desierint, odisse incipient.
Tacitus.

eines seine Uebermacht fühlenden despotischen
Fürsten ertragen und sich, wenn’s auch mur-
rend oder seufzend wäre, unter diese Gewalt
beugen, als sich durch vorheuchelnde Liebe,
wo Handlungen überall das laute Gegentheil
beweisen, zum Narren halten oder wie ein
Kind behandeln lassen *).

Am häufigsten findet man diese Waare und
Sprache in Wahl-Sprüchen, Schau-Münzen, Re-
den, Gedichten und Predigten bey Huldigun-
gen, Regierungs-Antritt, Geburts-Tägen, desto
seltener bey Leichen-Predigten, wo solche noch
gehalten werden, und am seltensten im Leben
und Thaten der Könige und Fürsten. Wenn
auch die wechselsweise Liebe zwischen einem
Herrn und Land anfänglich einer glühenden
Bräutigams-Liebe gleicht, so wird nur allzuoft
eine laue und zulezt frostige eheliche Liebe
draus, wo man des seligen Endes, wenigstens
von einer Seite, hoft; auch es wohl laut genug
wünscht, um — von neuem betrogen zu werden.


Stolz auf den Nahmen, Würde und Rang eines
Herrn, Bewunderung und persönliche Würdi-

*) Metus et terror infirma vincula caritatis; q[u]æ ubi remo-
veris, qui timere desierint, odisse incipient.
Tacitus.
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[63/0069] eines seine Uebermacht fühlenden despotischen Fürsten ertragen und sich, wenn’s auch mur- rend oder seufzend wäre, unter diese Gewalt beugen, als sich durch vorheuchelnde Liebe, wo Handlungen überall das laute Gegentheil beweisen, zum Narren halten oder wie ein Kind behandeln lassen *). Am häufigsten findet man diese Waare und Sprache in Wahl-Sprüchen, Schau-Münzen, Re- den, Gedichten und Predigten bey Huldigun- gen, Regierungs-Antritt, Geburts-Tägen, desto seltener bey Leichen-Predigten, wo solche noch gehalten werden, und am seltensten im Leben und Thaten der Könige und Fürsten. Wenn auch die wechselsweise Liebe zwischen einem Herrn und Land anfänglich einer glühenden Bräutigams-Liebe gleicht, so wird nur allzuoft eine laue und zulezt frostige eheliche Liebe draus, wo man des seligen Endes, wenigstens von einer Seite, hoft; auch es wohl laut genug wünscht, um — von neuem betrogen zu werden. Stolz auf den Nahmen, Würde und Rang eines Herrn, Bewunderung und persönliche Würdi- *) Metus et terror infirma vincula caritatis; quæ ubi remo- veris, qui timere desierint, odisse incipient. Tacitus.

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/69>, abgerufen am 29.04.2024.