würklich empörend ist, möchte es wohl nä- her, als man denkt, vom Biegen zum Brechen kommen.
Von der so gepriesenen Aufklärung sollte man billig erwarten, dass sich auch die Politik immer mehr mit Lebens-Weisheit paaren, und die Fürsten und ihre Räthe sich die von andern begangene Fehler dazu dienen lassen würden, solche mit desto mehrerer Vorsicht zu verhü- ten, dass sie sich selbst, nach eines jeden Stand, Vorrechten und Kräften, zum Anliegen machen würden, um die unsere allgemeine Reichs-Ver- fassung begründen sollende Gesetze zu verbes- sern, harmonischer, gerechter und menschli- cher zu machen. Leider! hat es aber zu dieser Hofnung nicht nur gar keinen Anschein, son- dern es neigt sich vielmehr nicht nur in der Län- der-Regierung, sondern selbst von Seiten der Gesetze zu immer mehrerem Druck.
Das neueste Reichsgesetz, der Kaiserliche Wahl-Vertrag, bindet dem Kaiser, dem Ober- haupt des Reichs, dem Hüter und Vollzieher der Gesetze, seit 50. Jahren, immer mehr die Hän- de, und erweitert dagegen die schon fast grän-
würklich empörend ist, möchte es wohl nä- her, als man denkt, vom Biegen zum Brechen kommen.
Von der so gepriesenen Aufklärung sollte man billig erwarten, daſs sich auch die Politik immer mehr mit Lebens-Weisheit paaren, und die Fürsten und ihre Räthe sich die von andern begangene Fehler dazu dienen lassen würden, solche mit desto mehrerer Vorsicht zu verhü- ten, daſs sie sich selbst, nach eines jeden Stand, Vorrechten und Kräften, zum Anliegen machen würden, um die unsere allgemeine Reichs-Ver- fassung begründen sollende Gesetze zu verbes- sern, harmonischer, gerechter und menschli- cher zu machen. Leider! hat es aber zu dieser Hofnung nicht nur gar keinen Anschein, son- dern es neigt sich vielmehr nicht nur in der Län- der-Regierung, sondern selbst von Seiten der Gesetze zu immer mehrerem Druck.
Das neueste Reichsgesetz, der Kaiserliche Wahl-Vertrag, bindet dem Kaiser, dem Ober- haupt des Reichs, dem Hüter und Vollzieher der Gesetze, seit 50. Jahren, immer mehr die Hän- de, und erweitert dagegen die schon fast grän-
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würklich empörend ist, möchte es wohl nä-
her, als man denkt, vom Biegen zum Brechen
kommen.
Von der so gepriesenen Aufklärung sollte
man billig erwarten, daſs sich auch die Politik
immer mehr mit Lebens-Weisheit paaren, und
die Fürsten und ihre Räthe sich die von andern
begangene Fehler dazu dienen lassen würden,
solche mit desto mehrerer Vorsicht zu verhü-
ten, daſs sie sich selbst, nach eines jeden Stand,
Vorrechten und Kräften, zum Anliegen machen
würden, um die unsere allgemeine Reichs-Ver-
fassung begründen sollende Gesetze zu verbes-
sern, harmonischer, gerechter und menschli-
cher zu machen. Leider! hat es aber zu dieser
Hofnung nicht nur gar keinen Anschein, son-
dern es neigt sich vielmehr nicht nur in der Län-
der-Regierung, sondern selbst von Seiten der
Gesetze zu immer mehrerem Druck.
Das neueste Reichsgesetz, der Kaiserliche
Wahl-Vertrag, bindet dem Kaiser, dem Ober-
haupt des Reichs, dem Hüter und Vollzieher der
Gesetze, seit 50. Jahren, immer mehr die Hän-
de, und erweitert dagegen die schon fast grän-
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/82>, abgerufen am 16.02.2025.
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