unterbrochen, wo selbst einem so scharf und hell sehenden Herder*) der Wunsch ausge- presst wird: "O! dass ein anderer Montesquieu uns den Geist der Gesetze und Regierungen auf unserer runden Erde nur durch die bekannte- sten Jahrhunderte zu kosten gäbe! Nicht nach leeren Namen dreyer oder vier Regierungs-For- men, die doch nirgend und niemals dieselben sind oder bleiben; auch nicht nach witzigen Principien des Staats: Denn kein Staat ist auf Ein Wort-Principium gebaut; geschweige, dass er dasselbe in allen seinen Zeiten und Ständen unwandelbar erhielte; auch nicht durch zer- schnittene Beyspiele, aus allen Nationen, Zei- ten und Weltgegenden, aus denen in dieser Verwirrung der Genius unserer Erde selbst kein Ganzes bilden würde; sondern allein durch die philosophische, lebendige Darstellung der bür- gerlichen Geschichte, in der, so einförmig sie scheinet, keine Scene zweymal vorkommt, und die das Gemählde der Laster und Tugenden unsers Geschlechts und seiner Regenten, nach Ort und Zeit immer verändert und immer das- selbe, fürchterlich lehrreich vollendet".
*) In den Ideen zur Philosophie der Geschichte der Mensch- heit, II. B. S. 264.
unterbrochen, wo selbst einem so scharf und hell sehenden Herder*) der Wunsch ausge- preſst wird: „O! daſs ein anderer Montesquieu uns den Geist der Gesetze und Regierungen auf unserer runden Erde nur durch die bekannte- sten Jahrhunderte zu kosten gäbe! Nicht nach leeren Namen dreyer oder vier Regierungs-For- men, die doch nirgend und niemals dieselben sind oder bleiben; auch nicht nach witzigen Principien des Staats: Denn kein Staat ist auf Ein Wort-Principium gebaut; geschweige, daſs er dasselbe in allen seinen Zeiten und Ständen unwandelbar erhielte; auch nicht durch zer- schnittene Beyspiele, aus allen Nationen, Zei- ten und Weltgegenden, aus denen in dieser Verwirrung der Genius unserer Erde selbst kein Ganzes bilden würde; sondern allein durch die philosophische, lebendige Darstellung der bür- gerlichen Geschichte, in der, so einförmig sie scheinet, keine Scene zweymal vorkommt, und die das Gemählde der Laster und Tugenden unsers Geschlechts und seiner Regenten, nach Ort und Zeit immer verändert und immer das- selbe, fürchterlich lehrreich vollendet„.
*) In den Ideen zur Philosophie der Geschichte der Mensch- heit, II. B. S. 264.
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unterbrochen, wo selbst einem so scharf und
hell sehenden Herder *) der Wunsch ausge-
preſst wird: „O! daſs ein anderer Montesquieu
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unserer runden Erde nur durch die bekannte-
sten Jahrhunderte zu kosten gäbe! Nicht nach
leeren Namen dreyer oder vier Regierungs-For-
men, die doch nirgend und niemals dieselben
sind oder bleiben; auch nicht nach witzigen
Principien des Staats: Denn kein Staat ist auf
Ein Wort-Principium gebaut; geschweige, daſs
er dasselbe in allen seinen Zeiten und Ständen
unwandelbar erhielte; auch nicht durch zer-
schnittene Beyspiele, aus allen Nationen, Zei-
ten und Weltgegenden, aus denen in dieser
Verwirrung der Genius unserer Erde selbst kein
Ganzes bilden würde; sondern allein durch die
philosophische, lebendige Darstellung der bür-
gerlichen Geschichte, in der, so einförmig sie
scheinet, keine Scene zweymal vorkommt, und
die das Gemählde der Laster und Tugenden
unsers Geschlechts und seiner Regenten, nach
Ort und Zeit immer verändert und immer das-
selbe, fürchterlich lehrreich vollendet„.
*) In den Ideen zur Philosophie der Geschichte der Mensch-
heit, II. B. S. 264.
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/96>, abgerufen am 16.02.2025.
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